Dieses Kapitel beschreibt die Anordnung der Verschlussbauwerke in der Lagerarchitektur (Abschnitt 2.5). Dies erfolgt im Kontext des Mehrfachbarrierensystems (Abschnitt 2.2). Dabei wird ein Bezug zu den Sicherheitsfunktionen gemäss Abschnitt 2.7.1 hergestellt und die Aufgaben der einzelnen Systemkomponenten erklärt. Alle folgenden Angaben sind als exemplarische Umsetzungsvorschläge zu verstehen, die basierend auf abdeckenden Planungsannahmen zeigen, wie ein Verschluss umgesetzt werden könnte.
Das Konzept im hier vorliegenden Bericht sieht für Planungszwecke fünf Typen von Versieglungen und fünf Arten von Verfüllungen vor (siehe Fig. 3‑1):
Versiegelungen V1-HAA und V1-SMA (Lagerkammer), welche sich als Abschluss innerhalb der HAA-Lagerstollen bzw. unmittelbar vor den SMA-Lagerkavernen befinden. Sie werden unmittelbar nach Einlagerung der Abfälle und vollständiger Verfüllung der Lagerkammern errichtet.
Versiegelungen V2-HAA und V2-SMA (Lagerfeldzugänge), welche sich am Beginn der Lagerfeldzugänge des HAA-Lagerteils (im Bau, Betriebs- und Lüftungstunnel) bzw. des SMA-Lagerteils (im Lüftungs- und Betriebstunnel) befinden.
V3-Versiegelungen (Zugangsbauwerke), welche sich in den Zugangsbauwerken (Schächten) bis zur Obergrenze des Wirtgesteins Opalinuston befinden. V3-Versiegelungen sind die letzten Versiegelungen mit langzeitsicherheitsrelevanten Funktionen.
Die Verfüllungen von HAA-Lagerstollen sind nicht Teil des Verschlusses, sondern Teil der Nahfeldbarriere. Sie bestehen aus Bentonit.
Die Verfüllungen von SMA-Lagerkavernen sind ebenfalls nicht Teil des Verschlusses, sondern ebenfalls Teil der Nahfeldbarriere. Sie bestehen aus einem permeablen Verfüllmörtel, dem sogenannten M1-Mörtel.
Die VF1- und VF2-Verfüllungen der untertägigen Bauwerke dienen der Verfüllung der Resthohlräume und bestehen z. B. aus aufbereitetem Opalinuston oder Sand-Bentonit-Gemischen.
Die Verfüllungen der Zugangsbauwerke (Schachtverfüllungen) befinden sich oberhalb der V3-Versiegelungen und werden durch einen Schachtabschluss an der Geländeoberkante abgeschlossen. Diese Verfüllung besteht aus einem Mineralgemisch aus tonreichen Materialien (z. B. aufbereiteter Opalinuston) mit Sand und Kies.
Daneben verhindern Schachtabschlüsse (Schachtköpfe), welche als Abschluss an der Erdoberfläche positioniert sind, zusammen mit den Schachtverfüllungen Setzungen oder Tagbrüche an der Erdoberfläche in unmittelbarer Umgebung der Schachtköpfe.
Fig. 3‑1:Lage der Verschlussbauwerke in der Lagerarchitektur5
(aus Abschnitt 2.5)
Alte Terminologie «Zugangsschacht» durch Einlagerungsschacht ersetzt. ↩
Im Folgenden werden die Aufgaben der Versiegelungen anhand der im Abschnitt 2.7.1 gezeigten Sicherheitsfunktionen konkretisiert und diskutiert.
Neben den nachfolgend aufgeführten Aufgaben bewirken alle Versiegelungen eine mechanische Stabilisierung innerhalb der Versiegelungsbauwerke selbst und verhindern somit Konvergenzen, welche zu einer Beeinträchtigung der geologischen Barriere führen können (Beitrag zur Sicherheitsfunktion S4).
Die V1-Versiegelungen (Fig. 3‑1) werden in jedem Zugang zu einem HAA-Lagerstollen und zu einer SMA-Lagerkaverne errichtet. Dies gilt sowohl für das Hauptlager als auch für das Pilotlager. Die V1-Versiegelungen trennen die jeweilige Lagerkammer vom Betriebstunnel ab. Die Errichtung erfolgt unmittelbar nach der vollständigen Einlagerung und Verfüllung der zugehörigen Lagerkammer. So stellt die V1-Versiegelung schon während des Einlagerungsbetriebs des geologischen Tiefenlagers die passive Sicherheit her. Darüber hinaus nutzt sie dem Strahlenschutz, da sie die Zugänglichkeit zu bereits beschickten und verfüllten Lagerkammern verhindert und – neben der Lagerkammerverfüllung – eine zusätzliche Barriere zwischen dem tätigen Personal und den eingelagerten Abfällen darstellt.
Bezüglich der Langzeitsicherheit nehmen die V1-Versiegelungen folgende Aufgaben wahr:
Kompartimentalisierung (d. h. räumliche Trennung der radioaktiven Abfälle in den verschiedenen Lagerkammern)
Limitierung des Wasserflusses entlang der untertägigen Zugänge aufgrund geringer Durchlässigkeit:
Verhinderung eines dominanten Transportpfads von Radionukliden entlang untertägiger Zugänge (Beitrag zur Sicherheitsfunktion S3)
Verhinderung einer schnellen Aufsättigung der Lagerkammern über die untertägigen Zugänge und dadurch Begrenzung von Prozessen wie Gasbildung, Radionuklidfreisetzung etc. (Beitrag zur Sicherheitsfunktion S4)
Beitrag zur Beherrschung von ungünstigen Gasdrücken (insbesondere im SMA-Lager) und somit Beitrag zur Sicherheitsfunktion S4:
Die V1-Versiegelung wird so gebaut, dass keine ungünstigen Gasdrücke in den Lagerstollen und/oder -kavernen (resp. Pilotstollen/-kavernen) entstehen, die zu irreversiblen Schäden der geologischen (oder technischen) Barrieren führen könnten.
Durch eine geeignete Materialisierung kann die V1-Versiegelung zusätzlich zur Rückhaltung von Radionukliden (Sicherheitsfunktion S3) auf dem Transportpfad entlang der untertägigen Zugänge beitragen (z. B. durch die Sorptionskapazität des Bentonits im Dichtelement).
Die V2-Versiegelungen (Fig. 3‑1) in den Lagerfeldzugängen bzw. Pilotlagerzugängen trennen die Lagerfelder bzw. die Pilotlager vom übrigen Tiefenlager, d. h. dem zentralen Bereich und allen Infrastruktureinrichtungen. Ihre Errichtung findet unmittelbar nach der vollständigen Verfüllung der zugehörigen Lagerfeldzugänge, resp. der Zugänge der Pilotlager, statt. Die V2-Versiegelungen wirken somit bereits während der Beobachtungsphase und noch vor dem endgültigen Verschluss des geologischen Tiefenlagers. Ihr Herstellungszeitpunkt ist ein wesentlicher Meilenstein beim sukzessiven Verschluss des geologischen Tiefenlagers.
Bezüglich der Langzeitsicherheit nehmen die V2-Versiegelungen folgende Aufgaben wahr:
Kompartimentalisierung:
als eine weitere räumliche Trennung der radioaktiven Abfälle zusätzlich zu den V1‑Versiegelungen
Limitierung des Wasserflusses entlang der untertätigen Zugangsbauwerke aufgrund geringer Durchlässigkeit:
Unterstützung, mit gewissen Redundanzen zu den V1-Versiegelungen (siehe oben), hinsichtlich einer Begrenzung des Austrags von Radionukliden entlang untertägiger Zugänge (Beitrag zur Sicherheitsfunktion S3)
Unterstützung, mit gewissen Redundanzen zu den V3-Versiegelungen (siehe unten), hinsichtlich der Limitierung des Wasserzuflusses entlang der Bau- und Betriebstunnel (Beitrag zur Sicherheitsfunktion S4)
Beitrag zur Beherrschung von ungünstigen Gasdrücken (insbesondere im SMA-Lager) und somit Beitrag zur Sicherheitsfunktion S4:
Die V2-Versiegelung wird so gebaut, dass keine ungünstigen Gasdrücke in den Lagerfeldzugängen (resp. den Zugängen zum Pilotlager) entstehen, die zu irreversiblen Schäden der geologischen (oder technischen) Barrieren führen.
Durch eine geeignete Materialisierung können die V2-Versiegelungen zusätzlich zur Rückhaltung von Radionukliden (Sicherheitsfunktion S3) auf dem Transportpfad entlang der untertägigen Zugänge beitragen (z. B. aufgrund der Sorptionskapazität des Bentonits im Dichtelement).
Die V3-Versiegelungen (Fig. 3‑1) verschliessen das geologische Tiefenlager nach aussen und schützen es vor äusseren Einwirkungen. Sie werden daher in allen Zugangsbauwerken bis zur Oberkante des Opalinustons errichtet. Ihre Errichtung in einem der drei Zugänge erfolgt mit dem Verschluss des Hauptlagers unmittelbar nach dem Bau der V2-Versiegelungen. In den übrigen zwei Zugängen erfolgt die Errichtung mit dem Gesamtverschluss, also nach Abschluss der Beobachtungsphase. Damit ist der Verschluss des geologischen Tiefenlagers praktisch abgeschlossen.
Bezüglich der Langzeitsicherheit nehmen die V3-Versiegelungen folgende Aufgaben wahr:
hydraulische Trennung des geologischen Tiefenlagers und des umgebenden Wirtgesteins von wasserführenden Schichten des Deckgebirges bzw. der oberen Rahmengesteine sowie Beitrag zur Isolation der Abfälle von der Oberfläche (Beitrag zur Sicherheitsfunktion S1)
Limitierung des Wasserflusses entlang der untertägigen Zugangsbauwerke aufgrund der geringen Durchlässigkeit:
Limitierung des Wasserflusses entlang der untertägigen Zugangsbauwerke zum Lagerfeld und somit Beitrag zur Sicherheitsfunktion S4
Unterstützung der V1- und V2-Versiegelungen hinsichtlich einer Begrenzung des Austrags von Radionukliden entlang untertägiger Zugänge (Beitrag zur Sicherheitsfunktion S3)
Analog zum vorangehenden Kapitel werden anhand der im Abschnitt 2.7.1 gezeigten Anforderungen die Sicherheitsfunktionen für die Verfüllungen konkretisiert und diskutiert. Dabei realisieren die VF1-Verfüllungen (Fig. 3‑1) die vollständige Resthohlraumverfüllung der Lagerfeldzugänge (inkl. Zugänge zu den Pilotlagern). Sie befinden sich zwischen den V1- und V2-Versiegelungen. Die VF2-Verfüllungen (Fig. 3‑1) dienen hingegen der vollständigen Verfüllung der Bauwerke auf Lagerebene, also insbesondere des zentralen Bereichs, der Testbereiche, Teile der übrigen Lagerfeldzugänge (bis zu den V2-Versiegelungen) und der Kontrollstollen (HAA und SMA). Sie befinden sich somit zwischen den V2- und V3-Versiegelungen.
Auf die Verfüllungen der HAA-Lagerstollen resp. SMA-Lagerkavernen wird hier nicht weiter eingegangen, da sie nicht Teil des Verschlusses, sondern der Nahfeldbarriere darstellen. Die Schachtverfüllungen oberhalb der V3-Versiegelungen besitzen keine direkten langzeitsicherheitsrelevanten Funktionen, da sie sich ausserhalb dem Wirtgestein befinden und werden daher im Rahmen dieses Abschnitts ebenfalls nicht behandelt.
Die VF1- und VF2-Verfüllungen bestehen, gemäss des heutigen Planungsstandes, aus sandhaltigen Baustoffen, die mit Ton angereichert werden können. Als Materialisierungsbeispiele hierzu zählen: Sand-Bentonit-Gemische oder aufbereiteter Opalinuston (ebenfalls mit Sand vermischt). Beim Zutritt von Wasser beginnen diese Baustoffe aufgrund ihres Tonanteils zu quellen. Dadurch verändert sich der Porenraum so, dass eine Gaspermeabilität bei gleichzeitig geringer hydraulischer Leitfähigkeit erhalten bleibt. Auch Sand-Kies Mischungen ohne Ton sind denkbar.
Teilvolumina der Verfüllungen werden eingebracht, sobald der Betrieb des geologischen Tiefenlagers entsprechende Hohlräume nicht mehr benötigt. Dies ist nach Abschluss der Einlagerung für die jeweiligen Lagerfeldzugänge (resp. für die Zugänge der Pilotlager) der Fall wo die VF1-Verfüllung eingebracht wird, bevor die V2-Versiegelungen errichtet werden. Die VF2-Verfüllung wird hingegen abschnittsweise eingebracht und kann erst mit Abschluss der Beobachtungsphase, wenn auch die Kontrollstollen, die Testbereiche und deren Zugänge verfüllt worden sind, vollständig eingebracht werden. Die Massnahme der vorzeitigen Verfüllung nicht mehr notwendiger Bereiche unterstützt die Betriebssicherheit, indem die untertägigen Bauwerke in einen langfristigen passiven Zustand überführt werden und daher die Notwendigkeit eines regelmässigen Unterhalts entfällt.
Aus felsmechanischer Sicht dienen die eingebrachten Verfüllungen als langfristige Gebirgsstützung, weil sie grossräumige Konvergenzen und dadurch auch die Vergrösserung der Auflockerungszone verhindern. Die Wirkung wird mit der Aufsättigung durch den Aufbau eines Quelldrucks verstärkt.
Bezüglich der Langzeitsicherheit nehmen die Verfüllungen VF1 und VF2 folgende Aufgaben wahr:
Gewährleistung einer mechanischen Stabilisierung der untertägigen Zugangsbauwerke durch vollständige Verfüllung:
verhindern von Konvergenz und somit verhindern von Schädigung der geologischen Barriere (Beitrag zur Sicherheitsfunktion S4)
Bereitstellung von genügend Gasspeichervolumen (v.a. SMA-Lagerteil) durch ausreichende Porosität des Verfüllmaterials6:
zur Beschränkung eines ungünstigen Gasdruckaufbaus, der sich nach dem Zutritt von Gebirgswasser7 infolge anaerober Metallkorrosion und mikrobieller Degradation von Organika bildet (Beitrag zur Sicherheitsfunktion S4)
als Speichervolumen für volatile Radionuklide (z. B.: 14C) und somit Beitrag zur Sicherheitsfunktion S3
zusätzliche, untergeordnete Aufgaben bzw. weitere erwünschte Wirksamkeiten8:
Unterstützung bei der Limitierung des Wasserflusses entlang der untertätigen Zugangsbauwerke zum Lagerfeld (Beitrag zur Sicherheitsfunktion S4)
Unterstützung hinsichtlich einer Begrenzung des Austrags von gelösten Radionukliden entlang untertägiger Zugänge (Beitrag zur Sicherheitsfunktion S3)
Die Planung des zeitlichen Ablaufs des Verschlusses muss sich in den Realisierungsplan des geologischen Tiefenlagers (Fig. 3‑2) einfügen und den Anforderungen der Langzeitsicherheit, der Betriebssicherheit und des Strahlenschutzes Rechnung tragen (Abschnitt 2.7). Weiterhin ist nach KEG eine Beobachtungsphase zwischen Einlagerungsende und Verschluss vorzusehen. Im Hinblick auf eine mögliche Rückholung ist der Aufwand zur Entfernung gegebenenfalls frühzeitig eingebauter Verschlussbauwerke, wie sie in diesem Bericht vorgestellt werden, im Verhältnis zum Gesamtaufwand für eine Rückholung als sehr klein zu bewerten. Die Vorgabe der ENSI-G03 (ENSI 2020b) zur Sicherstellung einer Rückholung ohne grösseren Aufwand kann, unabhängig vom Einbauzeitpunkt der Verschlussbauwerke, als gegeben beurteilt werden.
Für die Langzeitsicherheit ist es erstrebenswert, zeitnah eine passive Sicherheit herzustellen, d. h. Verfüllungen einzubringen und Versiegelungsbauwerke zu errichten. Für den Strahlenschutz und die Betriebssicherheit ist dies, wie gezeigt, ebenfalls vorteilhaft. Dem wird mit dem vorgesehenen und von dem in Art. 7.3a ENSI-G03 (ENSI 2020b) vorgeschriebenen Einbau der V1-Versiegelungen unmittelbar nach Einlagerungsende Rechnung getragen (Abschnitt 2.7.2). Dieses Vorgehen setzt auch die Anforderung des Verschlusses innert Jahren (Art. 11 Ziff. 2. Bst. d KEV) und des «temporären Verschluss» nach ENSI-G03 Art. 7.5 um, indem systematisch alle nicht mehr notwendigen untertägigen Bauteile verfüllt werden und den Umfang des Restaufwandes damit eingrenzt.
Flexibilität in der Ablaufplanung des Verschlusses besteht also nur hinsichtlich der Zeitpunkte für die Einbringung der Verfüllungen VF1 und VF2, der Errichtung der V2- und V3-Versiegelungen sowie der Verfüllung der drei Schächte. Weiterhin ist es sinnvoll, die Einbringung der Verfüllung und die Errichtung der Versiegelungen nur in Kombination zu betrachten. Für die Entwicklung von Varianten der Ablaufplanung ist zunächst der Realisierungsplan als Randbedingung näher zu betrachten.
Fig. 3‑2 zeigt den Realisierungsplan eines Kombilagers gemäss EP21 (Nagra 2021a). Im EP21 findet sich eine detaillierte Beschreibung aller Realisierungsphasen. Im hier vorliegenden Bericht wird nur auf die für den Verschluss massgeblichen Phasen eingegangen: den Einlagerungsbetrieb SMA und HAA (4/6 in Fig. 3‑2), die Beobachtungsphase (7), den Verschluss des Hauptlagers (8) und den Verschluss des Gesamtlagers (9).
Fig. 3‑2:Realisierungsplan für das geologische Tiefenlager
Nach Nagra (2021a)
Nur für diesen Bericht relevante Phasen wurden übernommen und durchnummeriert9.
Unmittelbar nach Abschluss des SMA-Einlagerungsbetriebs (4) werden direkt vor den SMA-Lagerkavernen bzw. beim HAA-Einlagerungsbetrieb (6) im Anfangsbereich der HAA-Lagerstollen die V1-Versiegelungen errichtet. Nach Versiegelung der SMA-Lagerkavernen beginnt die Beobachtungsphase (7). Ca. 10 Jahre später sind auch die HAA-Stollen versiegelt und die Beobachtungsphase beginnt auch dort. Schon vor Beginn der Beobachtungsphase beginnt die Überwachung des Pilotlagers, um Informationen zum Verhalten des Mehrfachbarrierensystems während der frühen Entwicklung nach der Einlagerung bereitzustellen (Nagra 2021c). Ausserdem wird eine Überwachung der Umwelt und des geologischen Umfelds von der Oberfläche (Fanger et al. 2021), der noch offenen Untertagbauten und Zugänge (Nagra 2021b), sowie der Betriebssicherheit durchgeführt. Alle Überwachungs- und Beobachtungsdaten zusammen liefern Input für periodische Aktualisierungen des Sicherheitsnachweises, für den Stakeholder-Dialog, für die Vertrauensbildung und für die Entscheidungsfindung zum Verschluss. Für Planungszwecke wird gemäss Art. 3 SEFV (SEFV 2007) von einer Beobachtungsphase von 50 Jahren nach Abschluss des HAA-Einlagerungsbetriebs ausgegangen. Diese Dauer kann angepasst werden, sollte sich die Notwendigkeit oder der Bedarf ergeben.
Nach einer gewissen Beobachtungsdauer (Teil 1) – im in Fig. 3‑2 dargestellten Realisierungsplan des Kombilagers 10 Jahre nach Einlagerungsende HAA – werden die Zugänge zu den Lagerfeldern zu den Haupt- und Pilotlagern SMA und HAA auf Lagerebene verfüllt und verschlossen (Verschluss Hauptlager, (8)). Dazu werden die VF1-Verfüllungen eingebracht und die V2-Versiegelungen (vgl. Fig. 3‑1) gebaut. Zudem wird zu diesem Zeitpunkt ein Zugang nach Untertag (z. B. der Einlagerungsschacht) mit der V3-Versiegelung im Wirtgestein versiegelt, bis an die Oberfläche verfüllt, und verschlossen.
Auch nach Verschluss der Haupt- und Pilotlager bleibt der Zugang zu den Testbereichen sowie den Kontrollstollen HAA und SMA der Pilotlager (Fig. 3‑1) über die verbleibenden Zugänge (z. B. Bau- und Betriebs- bzw. Lüftungsschacht) offen. Die Beobachtung wird bis zum Verschluss des Gesamtlagers (9) fortgesetzt.
Nach Ablauf der Beobachtungsphase ordnet der Bundesrat den Verschluss des Gesamtlagers an, wenn der dauernde Schutz von Mensch und Umwelt gewährleistet ist (Art. 39 Abs. 2 KEG). Dies umfasst den Verschluss der bis dahin noch bestehenden Testbereiche und der Kontrollstollen der Pilotlager und aller anderen offenen Untertagbauten inklusive der noch offenen Zugänge. Nach ordnungsgemässem Verschluss befindet sich das geologische Tiefenlager in der Nachverschlussphase. Auch in dieser Phase kann die Überwachung bei Bedarf von der Oberfläche aus weitergeführt werden (Umweltüberwachung). Eine allfällige befristete Überwachung, die durch den Bundesrat nach Verschluss verfügt werden kann, würde nur noch im Rahmen der Überwachung der Umwelt und des geologischen Umfelds von der Oberfläche (Fanger et al. 2021) durchgeführt werden; dies bis zur Entlassung des verschlossenen Tiefenlagers aus der Kernenergiegesetzgebung (Art. 39 Abs. 4 KEG).
«Testbereiche» ersetzen im RBG «EUU» (Erdwissenschaftliche Untersuchungen Untertag». ↩
Ausgehend vom Ablauf gemäss Kap. 3.3.1, kann lediglich eine weitere Variante mit Durchführung derselben Massnahmen zu einem früheren oder späteren Zeitpunkt betrachtet werden, d. h. einer alternativen Beobachtungsdauer. Die beiden Varianten werden in Tab. 3‑1 zusammengefasst.
Tab. 3‑1:Übersicht der beiden Verschlussvarianten gemäss heutigem Planungsstand
Variante 1: Ablauf gemäss Kap. 3.3.1 |
Einbringung der Verfüllungen und Versiegelungen VF1 und V2 sowie VF2 und V3 für den Einlagerungsschacht 10 Jahre nach Abschluss des Einlage betriebs HAA |
Variante 2: Alternativer Ablauf |
Einbringung der Verfüllungen und Versiegelungen VF1 und V2 sowie VF2 und V3 für den Einlagerungsschacht mit einer alternativen Dauer der Beobachtungsphase nach Abschluss des Einlagerungsbetriebs HAA |
Als Untervariante kann z. B. der frühzeitige Verschluss des Bau- und Betriebsschachts statt des Einlagerungsschachts betrachtet werden. Dies hat jedoch keinen Einfluss auf den Vergleich der Varianten.
Der Vergleich der beiden gezeigten Varianten zur Vorgehensweise erfolgt anhand der Abwägung der Gewichtung der Forderung der Langzeitsicherheit nach schneller Herstellung passiver Sicherheit gegenüber den Ansprüchen der Beobachtung, die natürlich Interesse an einem langen Beobachtungszeitraum hat, um besser abgesicherte Ergebnisse zu erzielen. Der Strahlenschutz ist in beiden Varianten als gegeben zu betrachten, da die V1-Versiegelungen das nukleare Inventar abschliessen. Auch die Betriebssicherheit differenziert hier nur untergeordnet, indem ein regulärer Unterhalt der nicht verfüllten Untertagbauten, die notwendigerweise für die Beobachtung offen zu halten sind, zur Betriebssicherheit beiträgt.
Die Nagra legt der Planung, wie im Abschnitt 3.3.1. dargestellt, die Variante 1 zugrunde, da sie sich damit einen zusätzlichen Zugewinn an Beobachtungsdaten erhofft, ohne die Langzeitsicherheit negativ zu beeinflussen. Diese Vorgehensweise wurde bereits im vom Bundesrat 2018 genehmigten Entsorgungsprogramm 2016 dargelegt. Aus heutiger Sicht stellt diese Vorgehensweise einen guten Kompromiss der gegenläufigen Interessen dar, indem in 10 Jahren genügend Daten gesammelt und bewertet werden können, um eine fundierte Entscheidung für den Verschluss des Hauptlagers zu treffen. Sollten die Beobachtungen diese Entscheidung nicht stützen, ist eine weitere Offenhaltung möglich.
Im Hinblick auf den Betrieb und eine zu diesem Zeitpunkt noch unwahrscheinliche Rückholung müssen zwei Schächte offengehalten werden. Da bei einer Verfüllung des Einlagerungsschachts auch die Oberflächenanlage rückgebaut werden kann, ergäbe sich damit für diese Untervariante ein Vorteil, sofern die Nebenzugangsanlagen für Lüftung und Betrieb auf einem Betriebsgelände zusammengefasst erstellt werden. Daher sieht die Nagra auch den vorzeitigen Verschluss10 des Einlagerungsschachts vor.