Bei den Versiegelungsbauwerken handelt es sich um technische Bauwerke in Form von Tunnel- und Schachtverschlüssen. Gemeinsam mit weiteren Elementen des Mehrfachbarrierensystems (Abschnitt 2.2), wie beispielweise den Endlagerbehältern und dem Wirtgestein, gewährleisten sie den sicheren Einschluss der radioaktiven Abfälle.
Die Versiegelungen V1-HAA, V2-HAA, V1-SMA, V2-SMA sowie V3 erfüllen unterschiedliche Funktionen und Aufgaben im Verschlusssystem. Basierend auf Abschnitt 3.1 kann die Funktionsweise der Versiegelungsbauwerke wie folgt zusammengefasst werden:
Die Versiegelungsbauwerke mit Dichtelementen auf Bentonitbasis hindern portalseitig anstehendes Wasser daran, über die untertägigen Zugänge in Richtung der Lagerkammern der Lager (HAA-Lagerstollen und SMA-Lagerkavernen) zu fliessen. Als Konsequenz sättigt sich das geologische Tiefenlager aller Voraussicht nach nur sehr langsam und hauptsächlich aus dem intakten Wirtgestein auf. Durch die Limitierung des Wasserflusses mit den Dichtelementen der Versiegelungen wird das Ziel der Verhinderung der Bildung eines dominanten Transportpfads entlang untertägiger Zugänge erreicht. Zudem werden Prozesse, wie z. B. Gasbildung und Radionuklidfreisetzung, begrenzt. Gleichzeitig ermöglicht die Verwendung eines Baustoffs auf Basis von Bentonit durch dessen Sorptionskapazität (unabhängig von der konkreten Ausführung) eine zusätzliche Radionuklidrückhaltung.
Aus den Vorüberlegungen in Kapitel 2 und 3 lassen sich Auslegungsgrundsätze für die Versiegelungsbauwerke ableiten und festlegen. Anschliessend wird ein prinzipieller Aufbau der Versiegelungsbauwerke dargestellt (Abschnitt 4.1). In den jeweiligen Unterkapiteln zu den einzelnen Versiegelungsbauwerken sind exemplarische Umsetzungen dargestellt (Abschnitt 4.2 und 4.3), die auf Planungsannahmen beruhen.
Folgende Auslegungsgrundsätze können, basierend auf den diskutierten Anforderungen der Versiegelungen zur Gewährleistung der Sicherheitsfunktionen (Abschnitt 3.1), abgeleitet werden:
Langzeitsicherheit
Keine Schädigung des Wirtgesteins
Durch einen ausreichenden form- und kraftschlüssigen11 Kontakt zwischen dem Dichtelement und dem Wirtgestein werden Instabilitäten bzw. Konvergenzen und folglich eine Schädigung der geologischen Barriere weitestgehend verhindert. Durch die Herstellung einer möglichst hohen und homogenen Einbaudichte im Gesamtquerschnitt des Dichtelements wird angestrebt, diesem Ziel nahe zu kommen.
Ein bedeutender Radionuklidtransport entlang der Tunnel und Zugangsbauwerke ist zu unterbinden.
Gute Sorptionseigenschaften und niedrige Durchlässigkeiten des Opalinustons führen zu langen charakterisitischen Transportzeiten für den Radionuklidtransport durch das Wirtgestein. Wenn keine alternativen Transportpfade existieren, führt dies zu einer äusserst langsamen Radiokunklidfreisetzung. Ziel ist es deshalb, Wasserströmungen in und aus dem geologischen Tiefenlager entlang der Zugänge zu minimieren, um so auch den Transport von Radionukliden entlang der Tiefenlagerzugänge weitestgend zu unterbinden.
Der Zutritt von Wasser in die Lagerstollen und -kavernen soll möglichst über das intakte Wirtgestein erfolgen und nur so gering wie möglich über die untertägigen Zugänge.
Der Wassereintritt durch die untertägigen Zugänge in die Lagerstollen und -kavernen ist so lange wie möglich zu verzögern, um die Radionuklidrückhaltung zu unterstützen (siehe Punkt 2) und das Potenzial von chemischen Reaktionen zu reduzieren (z. B. Verzögerung von Korrosionsprozessen). Das Bemessungsziel der Versiegelungsbauwerke ist es daher, den Wasserfluss entlang der Zugänge zu den Lagerkammern zu minimieren.
Der Gasfluss – wenn auch nur bedingt –, insbesondere entlang eines SMA-Versiegelungsbauwerks, muss gewährleistet werden.
Der Gasfluss durch den Porenraum eines Dichtelements aus Bentonit im gequollenen (gesättigtem) Zustand ist äusserst gering.12 Um eine gewisse Gasdurchlässigkeit auch im gequollenen Zustand für die SMA-relevanten Versiegelungsbauwerke aufrechterhalten zu können, wird eine Sand-Bentonit-Mischung (80:20) verwendet. Versuche zeigen, dass sich in diesem Fall die Permeabilitäten für Flüssigkeiten und Gas um bis zu sechs Grössenordnungen unterscheiden können (Spillmann et al. 2015). Die speziellen Eigenschaften des Bentonitbaustoffs der HAA- und SMA-Versiegelungen werden später im Abschnitt 4.2 diskutiert.
Alle Versiegelungen sollen einen Beitrag zur Sicherheit des Tiefenlagers leisten
Alle Massnahmen – insbesondere auch der Bau von Versiegelungsbauwerken als massgebliche technische Barrieren – haben das übergeordnete Ziel, ein insgesamt ausgeglichenes Sicherheitsniveau herzustellen und als redundantes Mehrfachbarrierensystem zusammenzuwirken.
Sowohl der Zutritt von Wasser in ein Tiefenlager als auch der Radionuklidaustrag sollen durch das System aus geologischen Barrieren und Verschlussbauwerken verzögert und reduziert werden. Dabei sind alle Barrieren aufeinander abzustimmen und die Prinzipien von Redundanz und Diversität, soweit möglich und sinnvoll, ortsspezifisch umzusetzen. Für die Versiegelungsbauwerke bedeutet dies im Hinblick auf ihre Dichtigkeit und Rückhaltewirkung:
Im Sinne einer bestmöglichen Redundanz sind – hinsichtlich der abdichtenden Wirkung – V1-, V2- und V3-Versiegelungsbauwerke mit ähnlichen Beiträgen zu bevorzugen.
Durch die Reihenschaltung von ähnlich wirksamen Versiegelungen werden robuste Redundanzen im Verschlusssystem erreicht.
Ein schneller Rückzug aus dem geologischen Tiefenlager, im Falle der Anordnung eines temporären Verschluss, soll möglich sein.
Ein schneller Rückzug aus dem geologischen Tiefenlager während der Betriebsphase soll berücksichtigt werden und bei ausreichendem Sicherheitsniveau möglich sein. Das Auslegungsprinzip stammt aus der gesetzlichen (Art. 11 KEV 2004) und regulatorischen Forderung (ENSI 2020a) des temporären Verschlusses (Abschnitt 2.1.2).
Hieraus leitet sich die Konsequenz ab, dass die V1-Versiegelungsbauwerke derart beschaffen sein müssen (Funktionstüchtigkeit), dass sie die Sicherheit auch ohne die Unterstützung der weiteren V2- und V3-Versiegelungsbauwerke – wenn auch (temporär) eingeschränkt – gewährleisten. Dieser Auslegungsgrundsatz stützt die These, auf eine Hierarchisierung bzw. auf ein Gefälle von V3 zu V1 bei den Versiegelungsbauwerken zu verzichten (siehe Punkt 5) und steht im Einklang mit den regulatorischen Vorgaben eines temporären Verschlusses in seiner Umsetzung. Der temporäre Verschluss wird im Kapitel 7 behandelt.
Baustoffauswahl
Versiegelungsbauwerke werden auf Basis von Bentonitbaustoff errichtet.
Bentonit stellt ein arteigenes Material zum Wirtgestein Opalinuston dar. Denkbar sind Ausführungen in Form von Granulat, Pellets, Formsteinen, Bentonitmehl oder Mischungen der genannten Ausführungen mit vorgegebenen Körnungslinien. Bei Kontakt mit Wasser quillt Bentonit und wird dadurch nahezu wasser- und gasundurchlässig.13 Zur Beibehaltung einer gegebenenfalls notwendigen Gasdurchlässigkeit nach der Aufsättigung wird Bentonit mit Sand (z. B. 20:80) vermischt (siehe Punkt 4). Dichtelemente des Versiegelungsbauwerks auf Basis von Bentonit haben daher bei Zutritt von Wasser einen selbstabdichtenden Charakter. Zusätzlich besitzt Bentonit, wie das Wirtgestein, sorbierende Eigenschaften, was dafür sorgt, dass sich hinsichtlich vieler Radionuklide ein allfälliger Transport verzögert. Die Langzeitbeständigkeit des Bentonits im Dichtelement sorgt somit für eine dauerhafte Dichtwirkung gegen anstehendes Wasser in Richtung der Lagerkammern einerseits und entgegen einem Austrag von Radionukliden aus den Lagerkammern andererseits.
Zementbasierte Baustoffe sollen im Umfeld des abdichtenden Bentonits nur eingesetzt werden, wenn bautechnische Alternativen fehlen.
Der Einsatz von zementbasierten Baustoffen (Beton, Mörtel) ist in Nahbereichen von Dichtelementen eines Versiegelungsbauwerks, wo möglich, zu begrenzen. Die langfristige Interaktion von Wasser mit zementbasierten Baustoffen kann zu einer negativen Veränderung der Wasserchemie und Toneigenschaften führen (Nagra 2021a).
Aufbau des Versiegelungsbauwerks
Zur Veranschaulichung stellt Fig. 4‑1 den prinzipiellen, generischen Aufbau der Versiegelungsbauwerke dar.
Tragende und dichtende Funktionen werden bei den Versiegelungsbauwerken getrennt.
Bentonit besitzt im initialen, ungequollenen Zustand keine ausreichende Festigkeit und Steifigkeit, um als tragender Baustoff eines Versiegelungsbauwerks zu wirken oder einen Quelldruck ohne Unterstützung aufzubauen. Daher ist es notwendig, die tragende Wirkung (Standsicherheit) und die dichtende Wirkung (Funktionstüchtigkeit) auf verschiedene Elemente des Versiegelungsbauwerks aufzuteilen:
(a) Versiegelungsbauwerk in Längsrichtung (axial)
In axialer Richtung besteht ein Versiegelungsbauwerk aus drei unterschiedlichen Arten von Elementen beziehungsweise Bauteilen:
Dichtelement(en) zwecks Funktionstüchtigkeit
Widerlager zwecks Standsicherheit des Dichtelements aufgrund des aufbauenden Quelldrucks (Einspannung)
Übergangsschicht(en) zwecks konstruktiver Durchbildung
(b) Versiegelungsbauwerk in Querschnittsebene (radial)
Eine Versiegelungsbauwerk besteht in seiner Querschnittsebene aus mindestens «drei» sich zwangsläufig ergebenden Bereichen:
dem jeweiligen Baustoff der Versiegelung
einen ggf. noch vorhandenen Teil des Ausbaus
der Kontaktzone/-fläche mit dem Wirtgestein
der Auflockerungszone im tunnel- bzw. schachtnahen Wirtgestein
Das Versiegelungsbauwerk verhindert oder (zumindest) reduziert Wegsamkeiten entlang der Tunnel und Stollen. Dies verlangt für den Baustoff des Dichtelements eine ausreichend geringe Permeabilität und für die Kontaktfläche/-zone zum Wirtgestein einen ausreichenden kraftschlüssigen Kontakt.
(c) Übergangsschichten
Als konstruktive Elemente oder Bauteile besitzen Versiegelungsbauwerke Übergangsschichten, bestehend aus Filterschichten und Trennwänden.
Die Übergangsschichten sorgen für die bautechnische Trennung von Dichtelementen, Widerlagern und Resthohlraumverfüllungen zur Vermeidung unerwünschter geochemischer Wechselwirkungen (Nagra 2024c).
Die Filterschichten können auch zur gleichmässigen Verteilung des anstehenden Wassers über die Querschnittsfläche des Dichtelements dienen. Dadurch wird ein gleichmässiges Quellen des Bentonits12 und damit der selbstnivellierende Charakter des Prozesses unterstützt. Darüber hinaus dienen Filterschichten auch dem Vermeiden der Bildung präferierter Fliesspfade durch das Versiegelungsbauwerk.
Als weiteres konstruktives Element werden Trennwände erstellt, welche als Schalung die Schüttung kohäsionsloser Baustoffe über den gesamten Versiegelungsquerschnitt ermöglichen.
Versiegelungsbauwerke werden konstruktiv symmetrisch aufgebaut.
Die Versiegelungen sollen in axialer Richtung einen möglichst symmetrischen Aufbau besitzen. Der Auslegungsgrundsatz ergibt sich einerseits daraus, dass jede Versiegelung zwei Prozesse verzögern bzw. verhindern soll:
Zutritt von Wasser in das Tiefenlager entlang der Zugänge
Austrag (advektiver Transport in Wasser) von Radionukliden entlang der Zugänge aus dem Tiefenlager
Andererseits werden zwei Widerlager benötigt, um – bevor der radiale Quelldruck des Bentonits in ausreichendem Masse aktiviert ist – das Dichtelement am gewünschten Ort zu halten. Eine (axiale) Volumendehnung des Dichtelements als Folge des Quellens wird bei geeigneter Auslegung weitgehend verhindert, sodass sich der gewünschte Quelldruck aufbaut und die Kontaktflächen zwischen Dichtelement und Wirtgestein planmässig kraftschlüssig sind. Die Widerlager befinden sich dafür beidseitig vom Dichtelement.
Der konstruktive Aufbau der Versiegelungsbauwerke soll einfach gehalten werden.
Der Bauwerksentwurf eines Versiegelungsbauwerks soll einfach und übersichtlich sein sowie wenige Einzelelemente umfassen.
Das Konstitutivverhalten eines Bentonits ist komplex. Dies gilt umso mehr bei der notwendigen Berücksichtigung des geochemischen Milieus. Es empfiehlt sich daher, möglichst «einfache» Geometrien und Einbautechniken bei gleichzeitig einfachem Aufbau zu planen und einzusetzen. Die Qualitätssicherung beim Bau soll mit Hilfe weniger, leicht messbarer Grössen erfolgen können. Dazu bieten sich zum einen die Hohlraumvolumina-Vermessung, beispielsweise mittels Laser-Scans, und die eingebaute Massen-Quantifizierung mittels Wägen an. Aus diesen beiden Messgrössen lassen sich die vorgegebenen, aus der Dimensionierung resultierenden Verfüllgrade oder Trockeneinbaudichten des Bentonits verifizieren.
Bautechnik
Die Errichtung von vertikalen Versiegelungen ist im Falle einer Wahl derjenigen von horizontalen Versiegelungen vorzuziehen.
Vertikale oder zumindest stark geneigte Versiegelungsbauwerke sind einfacher zu planen, zu dimensionieren und zu errichten als horizontale. Die V3-Versiegelungen werden daher ausschliesslich in den Schächten und nicht in dem am Schachtfuss angeschlossenen Tunnel realisiert. Als Vorteile eines Versiegelungsbauwerks in einem Schacht werden genannt:
Die Schwerkraft «unterstützt» den Bau. Die Thematik einer ausreichenden Firstbündigkeit, die bei einem Versiegelungsbauwerk in einem horizontalen bzw. subhorizontalen Bauwerk bautechnisch zu lösen ist, entfällt.
Geforderte Einbaudichten, zum Beispiel beim Bentonit, lassen sich leichter realisieren. Während in horizontalen Strecken «gestopft» werden muss, kann in Schächten lagenweise eingebaut und beispielsweise mit Rüttelplatten verdichtet werden.
Beim Einsatz von hydraulisch abbindenden Baustoffen wie Beton entfällt ein Teil der Schalungen.
Filterschichten und andere konstruktive Elemente lassen sich in vertikal aufgebauten Versiegelungsbauwerken mittels eines lageweisen Einbaus sehr einfach realisieren.
Der Ausbau lässt sich leichter rauben als in einem subhorizontalen Tunnel. Zwischenbauzustände sind einfacher zu handhaben.
Alle Versiegelungsbauwerke basieren auf einem einheitlichen Bauwerkstyp.
Für die V1-, V2- und V3-Versiegelungen wird, abgesehen von der Einbaurichtung (vertikal, (sub-)horizontal), der gleiche generische Bauwerksentwurf bevorzugt. Eine Unterscheidung ist bei den Abdichtungslängen jedoch in Abhängigkeit vom Ort des Bauwerks notwendig.
Der Einbau von in Serie und gleich aufgebauten Versiegelungen hat insbesondere folgende Vorteile:
Der Bau läuft mit der Zeit routinierter ab und erfordert insgesamt kürzere Erprobungs- und Testphasen sowie Bauzeiten.
Durch Verwendung eines einheitlichen Versiegelungsbauwerkstyps gleicht sich das übergeordnete Sicherheitsniveau aus (vgl. dazu auch Punkt 5).
Das Bauverfahren soll ein möglichst gebirgsschonendes Lösen des Gebirges erlauben
Die tunnelnahe Auflockerung des Wirtgesteins ist zu minimieren. Beim Vortrieb und Sichern der für die Versiegelung vorgesehenen Tunnel- und Schachtabschnitte sowie beim Rauben sind gebirgsschonende Verfahren, wenn technisch sinnvoll und möglich, anzuwenden.
Sowohl durch den Vortrieb, als aber auch durch ein allfälliges Rauben des Ausbaus, kommt es zur Bildung einer neuen resp. Vergrösserung einer vorhandenen Auflockerungszone. Dies kann temporär zu einer Erhöung der Durchlässigkeit im Nahbereich des Ausbruchsrands führen. Durch die Auflockerung entstandenen Risse im Wirtgestein beginnen sich infolge Tonquellens bei Feuchtigkeitseintrag jedoch wieder zu schliessen («Selbstabdichtung»), so dass davon ausgegangen werden kann, dass die Durchlässigkeit in der Auflockerungszone nach Einbau der Ausbruchsicherung über die Zeit wieder abnimmt. Je feiner und disperser die Volumenvergrösserung in der Auflockerungszone verteilt ist, desto geringer ist die temporäre Durchlässigkeitserhöhung und desto schneller die Abnahme der Durchlässigkeit infolge der «Selbstabdichtung». Ein schonender Ausbruch oder ein Rauben des Ausbaus mit einen nachfolgenden direkten Einbau einer Ausbruchsicherung wirkt sich günstig auf die auflockerungsbedingte Rissbildung aus. Potenzielle Wegsamkeiten im anstehenden Tonstein werden damit reduziert und im Idealfall vermieden.
Falls es die felsmechanischen Verhältnisse zulassen, wird der Ausbau vor der Errichtung der Versiegelungsbauwerke soweit wie möglich gebirgsschonend geraubt.
Nach dem Bau der Versiegelungsbauwerke sollen sich potenzielle Wegsamkeiten im angrenzenden Wirtgestein überwiegend in Radial- oder Umfangsrichtung – das heisst im Tunnelquerschnitt – ausdehnen. Der Auslegungsgrundsatz hat das Ziel, eine Ausbildung von höher transmissiblen Wegsamkeiten in Tunnellängsrichtung zu verhindern. Somit ist der Ausbau in den Bereichen der späteren Versiegelungsbauwerke bei Möglichkeit vollständig zu rauben. Linienhafte oder punktuelle Sicherungselemente können beibehalten werden. Gegebenenfalls ist auch das Verbleiben von Teilen der flächenhaften Ausbruchsicherung im Falle der V1- und V2-Versiegelungen erforderlich. Verbleibende oder angrenzende Teile des Anbaus sind entsprechend auf die Zusatzbelastung auszulegen. Weitere Variationen hinsichtlich der Reaktionsmöglichkeiten auf die In-situ-Bedingungen an den Einbauorten der Versiegelungsbauwerke werden im Kapitel 5 diskutiert.
Die Wahl der Orte für die Versiegelungsbauwerke erlaubt eine gewisse Flexibilität.
Die genaue Positionierung der Versiegelungsbauwerke soll möglichst nicht durch baulich vordefinierte Randbedingungen beeinträchtigt werden. Versiegelungsbauwerke sollten vor allem an geomechanisch günstigen Orten platziert werden und möglichst kleine Ausbruchquerschnitte und günstige Profilformen aufweisen.
Die Entscheidung zur genauen Platzierung einzelner Versiegelungsbauwerke soll möglichst lange offengehalten werden. Bei den V1- und V3-Versiegelungsbauwerken ist diese Flexibilität kleiner als bei den V2-Versiegelungsbauwerken.
Prinzipieller Aufbau einer Versiegelung
Auf Basis der Auslegungsgrundsätze und des prinzipiellen, generischen Aufbaus werden die spezifischen Versiegelungsbauwerke hinsichtlich ihrer jeweiligen Anforderungen und Randbedingungen beispielhaft konstruktiv durchgebildet (Fig. 4‑1).
Fig. 4‑1:Prinzipieller, generischer Aufbau der Versiegelungsbauwerke (nicht massstäblich)
Die Ziffern 1, 3, 5 und 7 entsprechen den Übergangsschichten, die Ziffern 2 und 6 den beiden Widerlagern und die Ziffer 4 dem Dichtelement.
Kraftschlüssiger Kontakt wird durch den Quellvorgang erhöht. ↩
Intrinsische Permeabilität von bis zu 10-19 m2. ↩
Gasundurchlässigkeit zählt nicht für Sand-Bentonit-Mischungen (80:20). Die Bewahrung einer geringen Gasdurch-lässig¬keit wird durch die Beimischung von Sand angestrebt. Siehe dazu Punkt 4. ↩
Das Widerlager gewährleistet die Standsicherheit zunächst selbst, wird im Laufe der Zeit aber mit der aussen anstehenden Verfüllung zusammen tragen. ↩
Gilt für reine Bentonit-Dichtelemente. ↩
Die jeweiligen Unterkapitel zu den einzelnen Versiegelungsbauwerken enthalten noch keine finalen und vollumfänglichen geometrischen Angaben, sondern exemplarische Abmessungen, die auf Planungsannahen beruhen. Der derzeitige Stand der Planungen legt bewusst noch keine endgültigen Angaben fest.
Die nachstehenden Beschreibungen im Abschnitt 4.2.1 und 4.2.2 beziehen sich auf die V1- und V2-Versiegelungen beider Lagerteile, das heisst auf Versiegelungsbauwerke in horizontalen bzw. subhorizontalen Tunnelabschnitten. Unterschiede und Besonderheiten der Versiegelungsbauwerke werden in den zugehörigen Abschnitten thematisiert. Aufgrund der vertikalen Lage und den teilweise abweichenden Randbedingungen wird die V3-Versieglung von den anderen Versiegelungsbauwerken getrennt und umfassender im Abschnitt 4.3 beschrieben.
Um die statische Auslegung bei der Planung einfach und nachvollziehbar zu gestalten und die Qualitätssicherung bei der Ausführung zu vereinfachen, werden einige einfache Dimensionierungsgrundsätze berücksichtigt. Mit ihrer Hilfe lässt sich beispielsweise die konstruktive Durchbildung der Versiegelungen weitgehend vereinheitlichen und die Einbauqualität von Bentoniten leichter prüfen.
Die V1- und V2-Versiegelungsbauwerke bestehen aus 3 wesentlichen Elementen: dem Dichtelement, den Widerlagern und den Übergangsschichten (Fig. 4‑1). Die beiden Versiegelungsbauwerkstypen werden beidseitig von Verfüllungen in Form von Lockermassen (z. B. Bentonit oder aufbereiteter Opalinuston) umschlossen. Im Fall der SMA-Lagerkavernen wird als einzige Ausnahme ein hochporöser Mörtel als Lagerkavernenverfüllung verwendet.
Dichtelement
Das Dichtelement besteht aus einem kompaktierbaren Bentonit, der den Bentonit als feinkörniges Material, Granulat, Pellets, Formsteine oder eine Kombination davon enthält. Alternative Sand-Bentonit-Gemische16 (siehe Abschnitt 4.2.2) sind bei SMA-Versiegelungsbauwerken zur Erhöhung der Gasdurchlässigkeit vorgesehen. Überschlägige Berechnungen zeigen, dass von einer Mindestlänge der Dichtelemente von ca. dem dreifachen Tunneldurchmesser auszugehen ist, um die geforderten Permeabilitätswerte zu erreichen. Angestrebt wird eine intrinsische Permeabilität des Bentonits im gequollenen Zustand von etwa 10-19 bis 10-17 m2 (Nagra 2024c). Die Dimensionierung des Dichtelements erfolgt über die Trockeneinbaudichte derartig, dass der Bentonit bei vollständiger Sättigung einen definierten Quelldruck17 aufweist.
Der Bentonit kann mit fortlaufendem Schüttkegel, z. B. mit sogenannten Stopfschnecken, eingebracht werden. Mit fortlaufendem Schüttkegel können, im Gegensatz zu einem Einbau in Lagen (vertikaler Einbau), auch die Firstbereiche verfüllt werden. Schüttkegel können durch vertikale Hilfselemente (Mauern o.ä.) verringert werden. Eine Alternative ist der Einbau vorgefertigter Blöcke aus kompaktierten Materialien und das Verfüllen verbleibender Hohlräume mit Bentonitgranulat. Der Einbau erfolgt so, dass ein Kontakt zur Ausbruchlaibung hergestellt wird (formschlüssig). Ein kraftschlüssiger Anschluss im Gewölbe erfolgt aber erst, wenn das Gebirge weiter in Richtung des verfüllten Bauwerks konvergiert bzw. der Bentonit in Richtung Bauwerk quillt.
Widerlager
Alle Widerlager bestehen z. B. aus einem unbewehrten, hochwertigen Konstruktionsbeton mit einer Nenndruckfestigkeit von mindestens 25 MPa. Aus statischen Gründen soll der Lastabtrag in das anstehende Gebirge möglichst über Normalspannungen erfolgen, und zur Gewährleistung der Lagestabilität ist das Widerlager in einer doppeltkonischen Form ausgebildet. Um Spannungsüberhöhungen aus Biegeeffekten zu vermeiden, entspricht die Länge der Widerlager in etwa ihrem Durchmesser. Ein Aufweitungswinkel im Bereich von ca. 20° bis 25° stellt den Lastabtrag in das umgebende Wirtgestein in der gewünschten Art und Weise sicher. Einschnitte in der genannten Grössenordnung lassen sich unter Tag erfahrungsgemäss18 gut realisieren.
Beide Widerlager nehmen hauptsächlich den anstehenden Gebirgsdruck sowie den sich ausbildenden Quelldruck aus dem Dichtelement des Versiegelungsbauwerks auf. Weiter sind auch lagerseitig auftretende Quelldrücke aus dem Quellen der Tunnelverfüllung und dem hydrostatischen Druck aus potenziell portalseitig anstehendem Wasser mit der Auslegung abzudecken.
Die Widerlager werden anfangs eine gewisse Dichtigkeit gegen Fluide aufweisen. Sie werden jedoch konservativ als nicht langzeitbeständig angenommen und leisten somit keinen Beitrag zur Dichtigkeit im Rahmen von Langzeitsicherheitsanalysen.
Übergangsschichten
Die Übergangsschichten sorgen als konstruktive Elemente für die bautechnische Trennung von Dichtelementen, Widerlagern und Resthohlraumverfüllungen zur Vermeidung unerwünschter geochemischer Wechselwirkungen (Nagra 2024c). Dazu gehören einerseits Filterschichten aber auch z. B. Mauerwerk19 als «Schalung» für geschüttete Filterschichten. Zum Einsatz kommen ausschliesslich langzeitbeständige Materialien, wie z. B. Sande, Kiese20 oder Kalksandsteine, die das geochemische Milieu gar nicht oder tendenziell eher positiv beeinflussen.
Eine Mächtigkeit von etwa einem halben Meter je Lockermassenschüttung oder je Mauerwerk reicht bei geeigneter konstruktiver Durchbildung aus, um die zugewiesenen Aufgaben – z. B. als verlorene Schalung oder als Filter – zu erfüllen. Längere Übergangsschichten zur Einhaltung ihrer Funktion als Stabilisator des geochemischen Milieus sind allerdings auch denk- und realisierbar.
Die Übergangsschichten werden in den V1- und V2-Versiegelungsbauwerken beidseitig der Widerlager positioniert. Somit werden die abträglichen Wechselwirkungen zwischen Bentonit und Zement limitiert (vgl. Abschnitt 4.1, Punkt 8). Sie erhalten zudem je eine Filterschicht. Somit unterstützen sie eine gleichmässige Sättigung des Dichtelements (innenseitig) und eine gleichmässige Beaufschlagung durch anstehendes Wasser (aussenseitig).
Ergänzend könnten auch Filterschichten innerhalb des Dichtelements eingesetzt werden, um bei grösseren Längen eine gleichmässigere Sättigung zu unterstützen und um bevorzugte Wegsamkeiten im Dichtelement zu unterbrechen. Solche und alle weiteren Filterschichten nehmen jeweils den gesamten Querschnitt des Versiegelungsbauwerks ein und wären in Längsabständen vom ca. ein- bis zweifachen ihres Durchmessers zu realisieren.
In der Regel als feinkörniges Material bzw. als Granulat vorgesehen. ↩
Gilt vor allem bei "reinen"-Bentonit-Dichtelementen. Dichtelemente aus Sand-Bentonit-Mischungen besitzen nur eine reduzierte Erhöhung des Quelldrucks. ↩
Erfahrungen obliegen Bauverfahren aus dem konventionellen Berg- und Tunnelbau. ↩
Als Mauerwerk kommen z. B. ein solches aus Kalkformsteinen o.ä. geochemisch bedingt geeignete Materialen in Frage. ↩
Beispielsweise ein Kalkkies o.ä. geochemisch bedingt geeignete Materialien. ↩
Nachstehend werden die Besonderheiten der Versiegelungsbauwerke V1-HAA erläutert. Einen exemplarischen Aufbau des Versiegelungsbauwerks zeigt Fig. 4‑2.
Errichtungszeitpunkt
Die Errichtung der Versiegelungsbauwerke V1-HAA findet unmittelbar nach Abschluss der Einlagerung von HAA-Abfällen in den jeweiligen HAA-Lagerstollen statt. Die zeitnahe Versiegelung der HAA-Lagerstollen stellt die schnelle Isolation der radioaktiven Abfälle sicher.
Positionierung
Eine Versiegelung V1-HAA wird im Anschluss an den Abzweiger im Anfangsbereich (vgl. Fig. 3‑1) des HAA-Lagerstollen errichtet. Die Versiegelung grenzt den kompaktierten Bentonit der HAA-Lagerstollenverfüllung von der VF1-Resthohlraumverfüllung im Einlagerungsfeld ab. Hinsichtlich der Kompartimentalisierung trennt die Versiegelung die HAA-Lagerstollen vom übrigen Lagerfeld. Zur Errichtung der Versiegelungsbauwerke V1-HAA werden einige wenige Dekameter des jeweiligen HAA-Lagerstollens beansprucht.
Entfernung des Ausbaus
Wie bei allen anderen Versiegelungsbauwerken wird der vorhandene Ausbau möglichst geraubt. Mögliche Varianten inklusive jener, in der Teile des Ausbaus verbleiben, werden im Kapitel 5 erläutert und diskutiert.
Baustoffauswahl
Für das Dichtelement wird Bentonit verwendet. Bei Bedarf können geringe Mengen an Zusätzen (z. B. Sand) beigemischt werden. Die Baustoffe der Übergangsschichten und Widerlager sind vorne angegeben.
Abmessungen
Den abgeschätzten Abmessungen liegt ein Bauwerksdurchmesser von ungefähr 3.5 m zugrunde, der sich aus einem lichten Durchmesser des HAA-Lagerstollens von 2.8 m und dem geraubten Ausbau von zweimal 0.35 m zusammensetzt.
Das gesamte Versiegelungsbauwerk hat – hier in der exemplarischen Umsetzung – eine Länge von 20 m bis 25 m. Davon werden für das eigentliche Dichtelement 10 m (das Dreifache des Durchmessers), für die beiden Widerlager etwa je 4 m und für jede der vier Übergangsschichten ca. 1 m21 resp. 1.5 m22 benötigt.
Anzahl
Die aktuellen Planungen sehen insgesamt 23 Versiegelungen V1-HAA vor. Davon befinden sich 20 im Hauptlager und drei im Pilotlager (Fig. 3‑1).
Fig. 4‑2:Exemplarischer Aufbau der Versiegelung V1-HAA eines HAA-Lagerstollens (Längsschnitt)
Nachstehend werden die Besonderheiten der Versiegelungsbauwerke V1-SMA erläutert. Einen exemplarischen Aufbau des Versiegelungsbauwerks zeigt Fig. 4‑3.
Errichtungszeitpunkt
Die Errichtung der Versiegelung V1-SMA findet unmittelbar nach der vollständigen Beschickung der jeweiligen SMA-Lagerkaverne mit Abfällen statt. Die zeitnahe Versiegelung der SMA-Lagerkavernen stellt die schnelle Isolation der radioaktiven Abfälle sicher.
Positionierung
Eine Versiegelung V1-SMA wird nach der Verfüllung der zugehörigen SMA-Lagerkaverne im entsprechenden Abzweiger (vgl. Fig. 3‑1) errichtet. Sie grenzt die VF1-Lockermassenverfüllung im Lagerfeld von der Verfüllung der SMA-Lagerkaverne mit einem hochporösen Mörtel ab. Zur Errichtung der Versiegelungsbauwerke V1-SMA werden, ähnlich wie bei V1-HAA, einige Dekameter benötigt.
Die Kompartimentalisierung betrifft im Gegensatz zu den Versiegelungen V1-HAA nur die hydraulischen Verhältnisse, d. h. die Bewegung von Gebirgswasser. Mit der erzielten Gasdurchlässigkeit der Versiegelungen V1-SMA werden ungünstig hohe Gasdrücke innerhalb der SMA-Lagerkavernen vermieden, indem Gas in den übrigen Tiefenlagerbereich abgeleitet wird.
Widerlager
Der M1-Mörtel der SMA-Lagerkavernenverfüllung übernimmt die lagerseitige Widerlagerfunktion und kann die entstehenden Quelldrücke des Dichtelements aufnehmen. Somit kann lagerseitig auf die Errichtung eines Widerlagers bei den Versiegelungsbauwerken V1-SMA «verzichtet» werden. Der prinzipielle Aufbau resp. die Auslegungsgrundsätze der Funktionstrennung sowie der symmetrische Aufbau bleiben ansonsten erhalten.
Entfernung des Ausbaus
Wie bei allen anderen Versiegelungsbauwerken wird die Ausbruchsicherung nach Möglichkeit geraubt resp. rückgebaut. Entsprechende Varianten werden in Kapitel 5 diskutiert.
Baustoffauswahl
Beim Dichtelement wird ein Bentonit verwendet, welcher sich aus einem Sand-Bentonit-Gemisch im Verhältnis 80:20 zusammensetzt. Das Sand-Bentonit-Gemisch vereint die Vorteile des Bentonits-abdichtende Wirkung gegen Wasser und Sorption von Radionukliden – mit der angestrebten Gasdurchlässigkeit (siehe Abschnitt 4.1, Punkt 4). Die Baustoffe der Übergangsschichten (Sande, Kiese, Mauerwerk etc.) und Widerlager (hochwertiger Konstruktionsbeton) bleiben gegenüber den bisherigen Beschreibungen unverändert.
An dieser Stelle wird erneut auf die massgebende Anforderung bezüglich der Gaspermeabilität des Versiegelungsbauwerks verwiesen, welche die Versiegelungen V1-SMA und V2-SMA im SMA‑Lagerteil betrifft. Die dort eingelagerten Abfälle (siehe Abschnitt 2.4) zeichnen sich im Vergleich zu den Abfällen im HAA-Lagerteil durch ein wesentlich höheres Gasbildungspotenzial aus. Für das sich bildende Gas muss ein ausreichendes Gasspeichervolumen zur Verfügung gestellt werden. Solche Volumina stehen in der Verfüllung der SMA-Lagerkaverne selbst sowie im Porenraum der VF1- und VF2-Verfüllungen (bis zum V3-Versiegelungsbauwerk) zur Verfügung.
Abmessungen
Den exemplarischen Abmessungen liegt ein Bauwerksdurchmesser von ungefähr 6.5 – 7.0 m zugrunde. Der lichte Durchmesser der SMA-Abzweigertunnel beträgt etwa 5.5 m. Hinzu kommt die Mächtigkeit des zu raubenden Ausbaus. Damit benötigt das doppelkonusförmige Widerlager etwa eine Länge von ca. 7.5 m, während sich das eigentliche Dichtelement über etwa 20 m erstrecken soll (etwa dreifacher Tunneldurchmesser).
Die drei Übergangsschichten, inklusive Mauerwerke als verlorene Schalungen, werden zu jeweils ca. 1 m23 resp. 1.5 m24 beidseitig des portalseitigen Widerlagers sowie als Trennschicht zwischen Lagerkavernenverfüllung und Dichtelement vorgesehen. Daraus ergibt sich eine Gesamtlänge von etwa 30 m für die exemplarische Umsetzung.
Anzahl
Gemäss heutiger Planung sind insgesamt acht Versiegelungen V1-SMA vorgesehen, davon sieben im Hauptlager und eine im Pilotlager (Fig. 3‑1).
Fig. 4‑3:Exemplarischer Aufbau der Versiegelung V1-SMA einer SMA-Lagerkaverne im Abzweiger (Längsschnitt)
Im Folgenden werden die Eckdaten zu den Versiegelungsbauwerken V2-HAA und V2-SMA zusammengefasst. Die beiden Typen unterscheiden sich, wegen der bereits im Abschnitt 4.2.2 thematisierten, unterschiedlichen Anforderungen hinsichtlich der Gaspermeabilität, lediglich durch die Baustoffauswahl für das Dichtelement. Sie werden daher gemeinsam behandelt. Einen exemplarischen Aufbau der Versiegelungsbauwerke zeigt Fig. 4‑4.
Errichtungszeitpunkt
Die Errichtung der jeweiligen V2-Versiegelungsbauwerke findet unmittelbar nach der vollständigen VF1-Verfüllung der Lagerfeldzugänge (bzw. der Zugänge der Pilotlager) statt. Durch die zeitnahe Versiegelung der Lagerfelder wird bereits früh eine zusätzlich in Reihe geschaltete Barriere zu den V1-Versiegelungsbauwerken geschaffen und die vollständige Trennung der Lagerfelder vom restlichen Bereich des geologischen Tiefenlagers realisiert.
Positionierung
Die V2-Versiegelungsbauwerke werden in den subhorizontalen Tunneln der Lagerfeldzugänge errichtet. Dabei handelt es sich zum einen um die drei Tunnel für Bau, Betrieb und Lüftung des HAA-Lagerteils und zum anderen um die zwei Tunnel des SMA-Lagerteils für den Betrieb und die Lüftung (vgl. Fig. 2‑2). Des Weiteren wird je Lagertyp ein V2-Versiegelungsbauwerk in den Zugangstunneln der jeweiligen Pilotlager eingebaut.
Räumlich trennen die V2-Versiegelungsbauwerke somit die VF1-Lagerfeldverfüllungen von den VF2-Resthohlraumverfüllungen des zentralen Bereichs ab. Weiterhin grenzen sie im Falle eines Kombilagers die beiden Lagertypen voneinander ab. Die Übersicht in Fig. 3‑1 veranschaulicht die Positionierung der Versiegelungsbauwerke.
Zur Realisierung werden Tunnelabschnitte von mehreren Dekametern Länge benötigt. Aufgrund des Lagerdesigns besteht hinsichtlich der genauen Lokalisierung die grösste Flexibilität, sodass auf unvorhergesehene und gegebenenfalls weniger günstige Verhältnisse, die erst bei der Auffahrung erkannt werden, reagiert werden kann.
Entfernung des Ausbaus
Wie bei allen anderen Versiegelungsbauwerken werden die Gebirgssicherung auch hier so weit wie möglich geraubt bzw. rückgebaut und Teile der Auflockerungszone werden entfernt. Wenn die felsmechanischen Verhältnisse dies zulassen, ist es auch denkbar, bereits beim Vortrieb auf einen flächenhaften Ausbau an den in Frage kommenden Orten zu verzichten.
Gegebenenfalls erforderliche Varianten diskutiert Kapitel 5.
Baustoffauswahl
Die Baustoffe der Versiegelungsbauwerke V2-HAA25 entsprechen denjenigen der Versiegelungsbauwerke V1-HAA, die Versiegelungsbauwerke V2-SMA denen der Versiegelungsbauwerke V1-SMA. Unterschiede ergeben sich demnach nur bei den Bentonitbaustoffen der Dichtelemente.
Beim Dichtelement der Versiegelungsbauwerke V2-SMA kommen folglich wieder Sand-Bentonit-Gemische (z. B. Verhältnis 80:20) zum Einsatz. Analog zur Begründung zu den Versiegelungsbauwerken V1-SMA schafft dieses Material einen Zugang für Gase in den Porenraum der Resthohlraumverfüllungen ausserhalb der Lagerfeldzugänge. Damit vergrössert sich das zur Verfügung stehende Gasspeichervolumen.
Die Baustoffe der Übergangsschichten und Widerlager bleiben unverändert (siehe Abschnitt 4.2).
Abmessungen
Die exemplarischen Abmessungen gehen von einem Bauwerksdurchmesser von etwa 6.5 – 7.0 m lichter Durchmesser der Tunnel – zuzüglich geraubtem Ausbau – aus. Für die Widerlager ist eine Länge von ca. 7.5 m erforderlich. Die Dichtelemente haben eine Länge von etwa 20 m, was wieder ca. dem dreifachen Durchmesser entspricht. Die vier Übergangsschichten, inklusive Mauerwerke als verlorene Schalungen, werden zu jeweils ca. 1 m26 resp. 1.5 m27 beidseitig der beiden Widerlager vorgesehen. Daraus ergibt sich eine Gesamtlänge in der exemplarischen Umsetzung von etwa 40.0 m (vgl. Fig. 4‑4).
Anzahl
Gemäss heutigem Planungsstand sind insgesamt vier Versiegelungen V2-HAA und drei Versiegelungen V2-SMA geplant, davon jeweils eines zur Abgrenzung des Pilotlagers im jeweiligen Lagerteil.
Fig. 4‑4:Exemplarischer Aufbau der Versiegelungen V2-HAA (oben) und V2-SMA (unten) der Lagerfeldzugänge (Längsschnitte)
Zur Erhöhung des Gasspeichervolumens könnten im Rahmen der Optimierung bei der Baustoffauswahl der Versiegelungen V2-HAA auch Sand-Bentonit-Gemische verwendet werden. ↩
Bei der Dimension der Übergangsschichten handelt sich um Mindestgrössen aus rein bautechnischer Sicht. Grössere Dimensionen aufgrund spezifischer Anforderungen (z. B. geochemisches Milieu) sind möglich. ↩
Falls bautechnisch eine beidseitige (verlorene) Schalung notwendig ist. ↩
Nachstehend werden die Besonderheiten der vertikalen V3-Versiegelungsbauwerke erläutert. Einen exemplarischen Aufbau des Versiegelungsbauwerks zeigt Fig. 4‑5.
Der exemplarischen Aufbau der V3-Schachtversiegelungen berücksichtigt die folgenden vier Voraussetzungen:
Anordnung des geologischen Tiefenlagers etwa in der Mitte des Wirtgesteins:
Zur Errichtung der V3-Schachtversiegelungen steht etwa die halbe Mächtigkeit des Opalinustons zur Verfügung (von Lagerebene bis zur Oberkante des Wirtgestein).
vollständiger Rückbau gebirgssichernder Ausbauelemente:
Um den hydraulischen Widerstand der Versiegelung im Zusammenwirken mit dem Wirtgestein zu maximieren, wird der Schachtausbau über die vollständige Ausdehnung der V3-Versiegelung geraubt (abschnittsweise während der Bauausführung). Lediglich punktuelle oder linienhafte Sicherungselemente verbleiben in allfälligen Schwächezonen im Gebirge.
Um ein gebirgsschonendes Rauben des Ausbaus zu ermöglichen, soll der Schachtausbau nach Möglichkeit mit geeigneten konstruktiven Massnahmen dafür vorbereitet werden.
Langzeitbeständigkeit aller eingesetzten Baustoffe:
Dieser Grundsatz garantiert die Standsicherheit der gesamten Füllsäule, insbesondere die Lagestabilität des eigentlichen Dichtelements der V3-Versiegelung. Lediglich oberhalb des Dichtelements werden eingeschränkt langzeitbeständige Baustoffe wie zementbasierter Beton zugelassen. Die Langzeitbeständigkeit des Bentonits sorgt für eine dauerhafte Dichtwirkung gegen ggf. anstehendes Deckgebirgswasser.
Trennung von Dichtfunktion und Widerlagerfunktion:
Das eigentliche Dichtelement wird auf Basis von Bentonit errichtet, welches seine Dichtwirkung erst mit dem Quelldruck nach dem Zutritt von Wasser ausbildet. Die Gewährleistung der Dichtigkeit bzw. Gebrauchstauglichkeit verlangt daher die Einspannung des Dichtelements zwischen zwei im Vergleich zum Dichtelement näherungsweise starren Widerlagern. An die Widerlager werden keine langfristigen Anforderungen hinsichtlich der Dichtwirkung gestellt. Lediglich das obere Widerlager übernimmt bis zur vollständigen Sättigung des Dichtelements eine temporäre Dichtwirkung. Die Sättigung des Dichtelements erfolgt – im Gegensatz zu den (sub-)horizontalen Versiegelungen auf Lagerebene – aufgrund seiner Positionierung im Schacht auch über portalseitiges Gebirgswasser und nicht hauptsächlich über das Wirtgesteins.
Fig. 4‑5:Exemplarischer Aufbau der V3-Versiegelung eines vertikalen Zugangsbauwerks / Schachts (Längsschnitt)
Die in Fig. 4‑5 gewählten exemplarischen Abmessungen gehen von einem Schachtdurchmesser von 9.5 – 10.0 m28 (8.5 m lichter Durchmesser des Schachts zuzüglich des geraubten Ausbaus und geraubter loser Felsteile), einer Höhe des angeschlossenen Tunnels von 7.0 m und einer Mächtigkeit des Opalinustons von beispielhaft 100 m aus. Zur Errichtung der V3-Versiegelung steht somit ein Teufenbereich von etwa fünfzig Metern zur Verfügung. Standortspezifisch können barrierewirksame Rahmengesteine mit einbezogen werden.
Die Elemente der V3-Versiegelungsbauwerke und die anstehenden Verfüllungen können exemplarisch wie folgt beschrieben werden:
Dichtelement:
Das eigentliche Dichtelement besteht aus einem Bentonit, der sich aus feinkörnigem Material, Granulat, Pellets, Formsteinen oder einer Kombination der genannten zusammensetzt. Die Dimensionierung des Dichtelements erfolgt über die Trockeneinbaudichte derartig, dass der Bentonit bei vollständiger Sättigung den gewünschten Quelldruck aufweist.
Angestrebt wird eine mittlere Permeabilität des Bentonits im gequollenen Zustand von 10-19 bis 10-18 m2 (Nagra 2022). Die V3-Versiegelung verhindert somit dauerhaft einen relevanten Zutritt von Gebirgswasser in das geologische Tiefenlager.
Alle zehn Meter wird eine Filterschicht aus Feinsand eingebaut. Ihre Mächtigkeit beträgt einen halben Meter. Sie unterstützt eine gleichmässige Aufsättigung resp. ein gleichmässiges Quellen des Bentonits und bricht bevorzugte Wegsamkeiten. Die Abstände der Filterschichten entsprechen ungefähr dem Durchmesser des Dichtelementes im Schacht.
unteres Widerlager:
Das untere Widerlager besteht aus einem setzungsstabil eingebauten Hartgesteinsschotter.29 Auf einen zementgebundenen Baustoff als Alternative wird verzichtet, weil dieser keine vergleichbare Langzeitbeständigkeit beim Zutritt von Gebirgswasser aufweist (Gefahr der Korrosion), was die notwendige Lagestabilität des Dichtelements – in seiner vertikalen Lage – beeinträchtigen könnte.
Das untere Widerlager füllt den gesamten Schachtsumpf aus, sodass geringe Mengen an durch den Schacht zu tretendem Gebirgswasser hier zunächst aufgefangen werden. Es reicht oberhalb des Sohlenniveaus bis zur zweifachen Höhe des angeschlossenen Tunnels. Im Firstbereich des Anschlusstunnels wird ein Keil geraubt, um einerseits die gebirgsmechanischen Verhältnisse zu verbessern und andererseits die Verfüllung mit Schotter zu erleichtern.
Um die Auslaufsicherheit zu gewährleisten, dehnt sich das untere Widerlager in den Anschlusstunnel an die Schächte über die dreifache Tunnelhöhe aus, bevor sich die vergleichsweise weiche VF2-Verfüllung anschliesst.
Beim Einbau des Schotters wird eine Einbaudichte angestrebt, die eine Steifigkeit (Elastizitätsmodul) von 200 – 300 MPa aufweist. Diese reicht aus, um gemeinsam mit dem Lastabtrag über den Siloeffekt die Lagestabilität des Dichtelements der V3-Versiegelung langfristig zu gewährleisten.
Als wesentliche Last nimmt das untere Widerlager neben dem Eigengewicht den sich ausbildenden Quelldruck aus dem Dichtelement auf.
oberes Widerlager:
Das obere Widerlager besteht aus einem nicht armierten, hochwertigen Konstruktionsbeton mit einer Nenndruckfestigkeit von mindestens 25 MPa. Um den Lastabtrag in das anstehende Gebirge möglichst über Normalspannungen zu erreichen und die Lagestabilität zu gewährleisten, besitzt es eine doppeltkonische Form. Um Spannungserhöhungen aus Biegung zu vermeiden, entspricht die Höhe des oberen Widerlagers annähernd seinem Durchmesser. Ein Aufweitungswinkel von ca. 25° unterstützt den gewünschten Lastabtrag über Normalspannungen in das Gebirge und vereinfacht zudem den Ausbruch sowie die Betonage bei der Errichtung.
Das obere Widerlager nimmt als wesentliche Lasten neben dem Eigengewicht den sich ausbildenden Quelldruck aus dem Dichtelement von unten und den hydrostatischen Druck im anstehenden Deckgebirgswasser von oben auf. Das Widerlager wird anfangs eine Dichtigkeit gegen Fluide aufweisen. Es wird jedoch konservativ als nicht langzeitbeständig angenommen und leistet somit keinen Beitrag zur Dichtigkeit im Rahmen von Langzeitsicherheitsanalysen. Das Dichtelement in der V3-Versiegelung wird aufgrund seiner Nähe zu den überliegenden Aquiferen im Vergleich zu den anderen Versiegelungen (V1 und V2) schneller vollständig gesättigt sein und somit die abdichtende Funktion übernehmen, welche das obere Widerlager nur temporär erfüllen kann.
Übergangsschichten:
Die Übergangsschichten sorgen für die bautechnisch konstruktive Trennung der Widerlager vom Dichtelement. Sie bestehen aus gestuften Kiesen und Sanden, um die Filterstabilität der einzelnen Schichten untereinander zu gewährleisten. Eine Mächtigkeit von ca. drei Metern reicht bei geeigneter konstruktiver Durchbildung aus, um diese Aufgabe zu erfüllen.
Die untere Übergangsschicht umfasst vier bis sechs Einzelschichten, um bei gleichzeitiger Filterstabilität den Übergang vom grobkörnigen Hartgesteinsschotter zum Bentonit herzustellen. Der allfällige Einsatz von nicht korrodierenden Geotextilien kann den Herstellungsprozess erleichtern.
Die konstruktive Durchbildung der oberen Übergangsschicht besteht im einfachsten Fall, wenn die Funktion der Filterstabilität nicht benötigt wird, nur aus einer Feinsandschicht mit einem halben Meter Mächtigkeit. Die obere Übergangsschicht entspricht dann der Filterschichten im Dichtelement. Sie übernimmt in diesem Fall vor allem die Aufgabe, durch das obere Widerlager zutretendes Wasser über den Versiegelungsquerschnitt zu verteilen, was die gleichmässige Sättigung des Bentonits unterstützt.
Um Setzungen zu beschränken, werden Alle Sand- und Kiesschichten der Übergangsschichten beim Einbau lagenweise eingebaut verdichtet.
Schachtverfüllung mit zusätzlicher Funktion als Grundwasserstockwerkstrenner (obere Widerlagersäule und Schachtabschlussbauwerk):
Formal gehört die obere Widerlagersäule nicht mehr zur V3-Versiegelung. Sie trennt die natürlichen Grundwasserstockwerke dauerhaft, um den natürlichen hydrogeologischen Zustand vor dem Abteufen der Schächte wiederherzustellen. Die Schachtverfüllung und das Schachtabschlussbauwerk werden im Abschnitt 6.1.5 behandelt.