Zusätzlich zu den Versiegelungen beinhaltet das Verschlusssystem die Verfüllungen der Resthohlräume. Dazu zählen die VF1- und VF2-Verfüllungen. Zu den VF1-Verfüllungen gehören die Verfüllungen der Lagerfeldzugänge resp. die Zugänge zu den Pilotlager HAA und SMA und zu den VF2-Verfüllungen jene des zentralen Bereichs, der Testbereiche, Teile der Lagerfeldzugänge resp. die Zugänge zu den Pilotlagern bis zu den V2-Versiegelungen, sowie die Kontrollstollen von HAA und SMA (s. Fig. 3‑1).
Übersichtshalber werden die Verfüllungen der Lagerkammern (Lagerstollen und -kavernen) hier kurz erläutert (siehe Abschnitt 6.1.1 und 6.1.2). Diese zählen zu den Nahfeldbarrieren und sind somit nicht direkter Teil des Verschlusskonzepts.
Für die verschiedenen Verfüllungen können unterschiedliche Materialien (z. B. Bentonit-Granulat, Mörtel, Sand-Bentonit-Gemisch oder aufbereiteter Opalinuston) verwendet werden. Der heutige Planungsstand legt bewusst noch keine endgültige Materialisierung der Resthohlraumverfüllungen fest. Deren Wahl ist Teil der Optimierung nach dem RBG. Die massgebliche Funktion der VF1- und VF2-Verfüllungen besteht darin, eine mechanische Stabilisierung der zu verfüllenden untertägigen Zugänge sicherzustellen, um die Integrität der geologischen Barriere langfristig zu bewahren. Die Planungsannahme des Verhaltens der Verfüllung wird im Anhang B, Punkt 6, dargestellt. Zudem muss sie ein ausreichendes Gasspeichervolumen zur Verfügung stellen.
In den folgenden Unterkapiteln werden die massgeblichen Anforderungen an die Auslegung der Verfüllungen (Nagra 2024c) wiedergegeben.
Die Verfüllung der HAA-Lagerstollen gehört zu den Nahfeldbarrieren des geologischen Tiefenlagers. Die Hauptfunktion der Lagerstollenverfüllung ist der Schutz der Endlagerbehälter. Dieser wird durch günstige mechanische und hydraulische Eigenschaften des Verfüllmaterials erreicht. Beim Versagen des Behälters trägt die Rückhalteeigenschaft des Verfüllmaterials zur Rückhaltung und langsamen Freisetzung der Radionuklide bei (Nagra 2024c).
Die Verfüllung der SMA-Lagerkavernen soll ein Gasspeichervolumen (20 % wasserfüllbare Mindestporosität) und eine gewisse Gasdurchlässigkeit (>1 × 10-10 m2) zur Verfügung stellen (Nagra 2024c) und die Lagerkavernen vor Konvergenzen schützen. Aus diesem Grund ist aktuell ein hochpermeabler Monokorn-Mörtel (M1-Mörtel) für die Verfüllung vorgesehen, genauere Details befinden sich in (Jacobs et al. 1994) und (Nagra 2021d). Durch seine einheitliche Korngrösse ermöglicht dieser die Aufrechterhaltung eines Mindestporenraums unter Kompressionsdrücken.
Die VF1-Verfüllung wird lagerkammerseitig durch die V1-Versiegelungen und portalseitig durch die V2-Versiegelung begrenzt. Nach Erstellung der letzten V1-Versiegelung des HAA-Lagerteils gemäss EP21 und nach Abschluss der Beobachtungsphase Teil 1 (vgl. Abschnitt 3.3) wird die VF1-Verfüllung eingebracht. Die VF1-Verfüllung soll zur Gewährleistung einer mechanischen Stabilisierung der untertägigen Zugänge dienen und damit Konvergenzen mit Schädigungen der geologischen Barriere verhindern. Dieses Ziel wird durch eine bestmögliche firstbündige Vollverfüllung mit einer langzeitbeständigen Materialisierung aus Quelltonen mit geeignetem Korngefüge erreicht. Zudem dient sie als erstes Gasspeichervolumen und somit auch als Speichervolumen für volatile 14C-Nuklide nach der V1-Versiegelung. Aus diesem Grund soll die Verfüllung eine ausreichende Mindestporosität (40 %) und eine intrinsische Permeabilität >1 × 10‑16 m2 (Nagra 2024c) besitzen, die mit einem genügend hohen Anteil an Sand und/oder Kies in der Verfüllung sichergestellt werden. Zusätzlich dient die Verfüllung dem Schutz der Versiegelungen vor Erosion und Fremdeinwirkung während und nach der Beobachtungsphase.
Durch die verwendete Materialisierung (Tonanteil) wird eine Unterstützung bei der Limitierung des Wasserflusses entlang der untertägigen Zugangsbauwerke zum Lagerfeld und eine Unterstützung bei der Begrenzung des Austrags von gelösten Radionukliden erreicht (zusätzliche nützliche Wirksamkeiten), falls jene diese erreichen.
Mögliche Materialisierungen sind z. B.:
aufbereiteter Opalinuston aus dem Ausbruch des Tiefenlagers (mit Sand und/oder Kies vermischt)
Sand-Bentonit-Gemisch oder
Friedlandton (ebenfalls mit Sand und/oder Kies vermischt)
Zwischen den V2-Versiegelungen und V3-Versiegelungen wird die VF2-Verfüllung eingebracht. Beim Kombilager wird ab diesem Bereich nicht mehr zwischen den SMA- und HAA-Lagerteilen unterschieden, da sie sich jenen Bereich teilen. Die Verfüllung dient als zusätzliches Gasspeichervolumen37 und wirkt wie die VF1-Verfüllung als Gebirgsstützung. Des Weiteren ermöglicht auch diese Verfüllung unterstützende Funktionen hinsichtlich eines zusätzlichen hydraulischen Widerstands und zur Radionuklidrückhaltung durch Sorption, falls gelöste Radionuklide die VF2-Verfüllung erreichen. Aus diesen Gründen ist auch für diese Verfüllung dieselbe Materialisierung wie bei der VF1-Verfüllung vorgesehen.
Gemäss heutiger Planungsannahme wird die Porosität von VF1 angesetzt. ↩
Portalseitig der V3-Versiegelungen wird die Schachtverfüllung eingebracht, welche bis zur Oberfläche reicht. Diese Verfüllung liegt nicht mehr im Wirtgestein und muss keine Anforderungen aus der Langzeitsicherheit erfüllen. Die Verfüllung dient dem Schutz des Lagers vor Fremdeinwirkungen und schützt die V3-Versiegelung vor Erosion. Abgesehen von der Umweltverträglichkeit (z. B. Grundwasser-, Boden- und Naturschutz) gibt es keine speziellen Anforderungen an das zu verwendende Verfüllmaterial. Um einerseits die Standsicherheit an der Tagesoberfläche langfristig zu garantieren und andererseits die natürlichen Grundwasserstockwerke dauerhaft zu trennen (Art. 43 Abs. 3 GSchG, GSchG 1991), werden die Schächte gemäss dem heutigen Planungsansatz mit einem Mineralgemisch38 oder aufbereitetem Opalinuston (mit Sand und/oder Kies vermischt) mit einer entsprechenden niedrigen hydraulischen Durchlässigkeit verfüllt. Für die Schachtverfüllung wird als heutige Planungsannahme eine mittlere Durchlässigkeit von 10-9 bis 10-8 m/s angesetzt.
An der Geländeoberkante (GOK) unterstützt ein Schachtabschlussbauwerk in Form einer Betonkubatur den Schutz der Tagesoberfläche. Gleichzeitig sichert es den dann verfüllten Schacht gegen ein unbeabsichtigtes Eindringen («human intrusion» / Proliferation), indem es auf bereits in der Vergangenheit stattgefundene menschliche Aktivitäten hinweist.
Unter Mineralgemischen werden Mischungen aus Tonen, Sanden und Kiesen verstanden, die auf vorgegebene Eigenschaften abgestimmt sind. Sie zeichnen sich insbesondere durch spezielle Sieblinien aus, um geforderten Eigenschaften zu genügen. Zur Anwendung kommen beispielsweise das "Schlupfkornprinzip" zur Gewährleistung der Filterstabilität oder Ausfallkörnungen für niedrige Durchlässigkeiten. ↩