Nachstehend werden die Besonderheiten der vertikalen V3-Versiegelungsbauwerke erläutert. Einen exemplarischen Aufbau des Versiegelungsbauwerks zeigt Fig. 4‑5.

Der exemplarischen Aufbau der V3-Schachtversiegelungen berücksichtigt die folgenden vier Vor­aus­setzungen:

  • Anordnung des geologischen Tiefenlagers etwa in der Mitte des Wirtgesteins:

    • Zur Errichtung der V3-Schachtversiegelungen steht etwa die halbe Mächtigkeit des Opalinustons zur Verfügung (von Lagerebene bis zur Oberkante des Wirtgestein).

  • vollständiger Rückbau gebirgssichernder Ausbauelemente:

    • Um den hydraulischen Widerstand der Versiegelung im Zusammenwirken mit dem Wirtgestein zu maximieren, wird der Schachtausbau über die vollständige Ausdehnung der V3-Versiegelung geraubt (abschnittsweise während der Bauausführung). Lediglich punktuelle oder linienhafte Sicherungselemente verbleiben in allfälligen Schwächezonen im Gebirge.

    • Um ein gebirgsschonendes Rauben des Ausbaus zu ermöglichen, soll der Schachtausbau nach Möglichkeit mit geeigneten konstruktiven Massnahmen dafür vorbereitet werden.

  • Langzeitbeständigkeit aller eingesetzten Baustoffe:

    • Dieser Grundsatz garantiert die Standsicherheit der gesamten Füllsäule, insbesondere die Lagestabilität des eigentlichen Dichtelements der V3-Versiegelung. Lediglich oberhalb des Dicht­elements werden eingeschränkt langzeitbeständige Baustoffe wie zement­basierter Beton zuge­lassen. Die Langzeitbeständigkeit des Bentonits sorgt für eine dauer­hafte Dichtwirkung gegen ggf. anstehendes Deckgebirgswasser.

  • Trennung von Dichtfunktion und Widerlagerfunktion:

    • Das eigentliche Dichtelement wird auf Basis von Bentonit errichtet, welches seine Dicht­wirkung erst mit dem Quelldruck nach dem Zutritt von Wasser ausbildet. Die Gewähr­­leistung der Dichtigkeit bzw. Gebrauchstauglichkeit verlangt daher die Ein­spannung des Dichtelements zwischen zwei im Vergleich zum Dichtelement näherungs­weise starren Widerlagern. An die Widerlager werden keine langfristigen Anforderungen hinsicht­lich der Dichtwirkung gestellt. Lediglich das obere Widerlager übernimmt bis zur vollständigen Sättigung des Dichtelements eine temporäre Dichtwirkung. Die Sättigung des Dicht­elements erfolgt – im Gegensatz zu den (sub-)horizontalen Versiegelungen auf Lager­ebene – aufgrund seiner Positionierung im Schacht auch über portalseitiges Gebirgs­wasser und nicht hauptsächlich über das Wirtgesteins.

Modellhafter Aufbau der V3-Versiegelung eines vertikalen Zugangsbauwerks / Schachts (Längsschnitt)Fig. 4‑5:Exemplarischer Aufbau der V3-Versiegelung eines vertikalen Zugangsbauwerks / Schachts (Längsschnitt)

Die in Fig. 4‑5 gewählten exemplarischen Abmessungen gehen von einem Schachtdurchmesser von 9.5 – 10.0 m28 (8.5 m lichter Durchmesser des Schachts zuzüglich des geraubten Ausbaus und geraubter loser Fels­teile), einer Höhe des angeschlossenen Tunnels von 7.0 m und einer Mächtigkeit des Opalinus­tons von beispielhaft 100 m aus. Zur Errichtung der V3-Versiegelung steht somit ein Teufen­bereich von etwa fünfzig Metern zur Verfügung. Standortspezifisch können barriere­wirk­same Rahmengesteine mit einbezogen werden.

Die Elemente der V3-Versiegelungsbauwerke und die anstehenden Verfüllungen können exemplarisch wie folgt beschrieben werden:

  • Dichtelement:

    • Das eigentliche Dichtelement besteht aus einem Bentonit, der sich aus fein­körnigem Material, Granulat, Pellets, Formsteinen oder einer Kombination der genannten zu­sammensetzt. Die Dimensionie­rung des Dicht­elements erfolgt über die Trocken­einbaudichte derartig, dass der Bentonit bei vollständiger Sättigung den gewünschten Quelldruck aufweist.

    • Angestrebt wird eine mittlere Permeabilität des Bentonits im gequollenen Zustand von 10-19 bis 10-18 m2 (Nagra 2022). Die V3-Versiegelung verhindert somit dauerhaft einen relevanten Zutritt von Gebirgswasser in das geologische Tiefenlager.

    • Alle zehn Meter wird eine Filterschicht aus Feinsand eingebaut. Ihre Mächtigkeit beträgt einen halben Meter. Sie unterstützt eine gleichmässige Aufsättigung resp. ein gleich­mässiges Quellen des Bentonits und bricht bevorzugte Wegsamkeiten. Die Abstände der Filter­schichten entsprechen ungefähr dem Durchmesser des Dichtelementes im Schacht.

  • unteres Widerlager:

    • Das untere Widerlager besteht aus einem setzungsstabil eingebauten Hartgesteins­schotter.29  Auf einen zementgebundenen Baustoff als Alternative wird verzichtet, weil dieser keine ver­gleichbare Langzeitbeständigkeit beim Zutritt von Gebirgswasser aufweist (Gefahr der Korrosion), was die notwendige Lagestabilität des Dichtelements – in seiner vertikalen Lage – beeinträchtigen könnte.

    • Das untere Widerlager füllt den gesamten Schachtsumpf aus, sodass geringe Mengen an durch den Schacht zu tretendem Gebirgswasser hier zunächst aufgefangen werden. Es reicht oberhalb des Sohlenniveaus bis zur zweifachen Höhe des angeschlossenen Tunnels. Im Firstbereich des Anschlusstunnels wird ein Keil geraubt, um einer­seits die gebirgs­mechanischen Verhält­nisse zu verbessern und andererseits die Ver­füllung mit Schotter zu erleichtern.

    • Um die Auslaufsicherheit zu gewährleisten, dehnt sich das untere Widerlager in den Anschlusstunnel an die Schächte über die drei­fache Tunnelhöhe aus, bevor sich die ver­gleichs­­weise weiche VF2-Ver­füllung anschliesst.

    • Beim Einbau des Schotters wird eine Einbaudichte angestrebt, die eine Steifigkeit (Elasti­zi­tätsmodul) von 200 – 300 MPa aufweist. Diese reicht aus, um gemeinsam mit dem Last­­abtrag über den Siloeffekt die Lagestabilität des Dichtelements der V3-Versiegelung lang­fristig zu gewährleisten.

    • Als wesentliche Last nimmt das untere Widerlager neben dem Eigengewicht den sich aus­bildenden Quelldruck aus dem Dichtelement auf.

  • oberes Widerlager:

    • Das obere Widerlager besteht aus einem nicht armierten, hochwertigen Konstruktions­beton mit einer Nenndruckfestigkeit von mindestens 25 MPa. Um den Lastabtrag in das anstehende Gebirge möglichst über Normalspannungen zu erreichen und die Lage­stabilität zu gewährleisten, besitzt es eine doppeltkonische Form. Um Spannungs­erhöhungen aus Biegung zu vermeiden, entspricht die Höhe des oberen Widerlagers annähernd seinem Durchmesser. Ein Auf­weitungswinkel von ca. 25° unterstützt den gewünschten Lastabtrag über Normalspannungen in das Gebirge und vereinfacht zudem den Ausbruch sowie die Betonage bei der Errichtung.

    • Das obere Widerlager nimmt als wesentliche Lasten neben dem Eigengewicht den sich aus­bildenden Quelldruck aus dem Dichtelement von unten und den hydrostatischen Druck im anstehenden Deckgebirgswasser von oben auf. Das Widerlager wird anfangs eine Dichtigkeit gegen Fluide aufweisen. Es wird jedoch konservativ als nicht lang­zeit­beständig angenommen und leistet somit keinen Beitrag zur Dichtigkeit im Rahmen von Langzeitsicherheitsanalysen. Das Dichtelement in der V3-Versiegelung wird auf­grund seiner Nähe zu den überliegenden Aquiferen im Vergleich zu den anderen Ver­siegelungen (V1 und V2) schneller vollständig gesättigt sein und somit die abdichtende Funktion über­nehmen, welche das obere Widerlager nur temporär erfüllen kann.

  • Übergangsschichten:

    • Die Übergangsschichten sorgen für die bautechnisch konstruktive Trennung der Wider­lager vom Dichtelement. Sie bestehen aus gestuften Kiesen und Sanden, um die Filter­stabilität der einzelnen Schichten untereinander zu gewährleisten. Eine Mächtigkeit von ca. drei Metern reicht bei geeigneter konstruktiver Durchbildung aus, um diese Aufgabe zu erfüllen.

    • Die untere Übergangsschicht umfasst vier bis sechs Einzelschichten, um bei gleich­zeitiger Filter­stabilität den Übergang vom grobkörnigen Hartgesteinsschotter zum Bentonit her­zustellen. Der allfällige Einsatz von nicht korrodierenden Geotextilien kann den Her­stellungsprozess erleichtern.

    • Die konstruktive Durchbildung der oberen Übergangsschicht besteht im einfachsten Fall, wenn die Funktion der Filterstabilität nicht benötigt wird, nur aus einer Feinsandschicht mit einem halben Meter Mächtigkeit. Die obere Übergangsschicht entspricht dann der Filter­­schichten im Dichtelement. Sie übernimmt in diesem Fall vor allem die Aufgabe, durch das obere Widerlager zutretendes Wasser über den Versiegelungs­quer­schnitt zu ver­teilen, was die gleichmässige Sättigung des Bentonits unter­stützt.

    • Um Setzungen zu beschränken, werden Alle Sand- und Kiesschichten der Übergangs­schichten beim Einbau lagenweise eingebaut verdichtet.

  • Schachtverfüllung mit zusätzlicher Funktion als Grundwasserstockwerkstrenner (obere Wider­lagersäule und Schachtabschlussbauwerk):

    • Formal gehört die obere Widerlagersäule nicht mehr zur V3-Versiegelung. Sie trennt die natürlichen Grundwasserstockwerke dauerhaft, um den natürlichen hydrogeologischen Zustand vor dem Abteufen der Schächte wiederherzustellen. Die Schachtverfüllung und das Schachtabschlussbauwerk werden im Abschnitt 6.1.5 behandelt.

Durchmesser gilt für den Zugangs- und Betriebsschacht.  ↩

Als Planungsannahme wird ein Kalksteinschotter angesetzt, der das geochemische Milieu nicht negativ beeinflusst. ↩