Unter Selbstabdichtung (engl. self sealing) versteht man die Reduktion der hydraulischen Durchlässigkeit von Trennflächen. Selbstabdichtung ist im Opalinuston und den tonmineral­reichen Rahmengesteinen des EG eine zentrale Eigenschaft für den langfristigen Erhalt der Barrierenintegrität. Durch Selbstabdichtung von Trennflächen ist der hydraulische Einschluss und die Rückhaltung der Radionuklide langfristig sichergestellt.

Selbstabdichtung wird vor allem durch den Tonmineralgehalt des Gesteins kontrolliert (Kap. 5.7 und Kap. 5.10 in Nagra 2024p). Im Zusammenhang mit dem Tonmineralgehalt stellt das Quellen von Smektit einen wichtigen Prozess zur Reduktion der hydraulischen Durchlässigkeit von Trennflächen dar. Bei Gesteinen mit einem Tonmineralgehalt von mehr als 40 Gew.-% ist die Tonmineralmatrix so dominant, dass für die Selbstabdichtung von Trennflächen immer ausreichend Tonminerale zur Verfügung stehen.

Der andere Parameter, der die Selbstabdichtung kontrolliert, ist das Spannungsfeld (Kap. 5.7.4 in Nagra 2024p). Nur bei sehr niedrigen effektiven Normalspannungen (z. B. nahe der Erdoberfläche) erhöht sich im Opalinus­ton die hydraulische Durchlässigkeit von Trennflächen. Deshalb ist für eine robuste Selbst­abdichtung von Trennflächen eine ausreichende Überlagerung erforderlich. Das gegen­wärtige Spannungsfeld am Standort wird als vorteilhaft für eine robuste Selbstabdichtung eingestuft (Kap. 5.7.7 in Nagra 2024p). Auch im Hinblick auf die langfristige Entwicklung des gTL (vgl. Kap. 4.5.3) ist eine ausreichende Restüberdeckung für die Selbstabdichtung im Opalinuston am Standort gewähr­leistet (Kap. 6.4.4 in Nagra 2024p).

Relevanz von mineralisierten Trennflächen

Mineralisierte Trennflächen wurden vereinzelt in allen Tiefbohrungen im Opalinuston und den tonmineralreichen Rahmengesteinen gefunden. Im Opalinuston sind sie meist sehr dünn, makroskopisch geschlossen (Kap. 5.7.6 in Nagra 2024p) und aufgrund des vorteilhaften Deformationsverhaltens (vgl. Kap. 4.4.6) ziemlich schlecht verbunden. Die Ausfällung von Mineralen reduziert den Raum zwischen den Trennflächen und ist ein aktiver Selbstabdichtungsmechanismus, der zu einer Reduktion der Trennflächendurchlässigkeit führt. Die mineralisierten Trennflächen zeigen weder Einfluss auf die Ergebnisse der hydraulischen Packertests (Fig. 5-40 in Nagra 2024p) noch auf die Profile von natürlichen Tracern (vgl. Kap. 4.4.4 in diesem Bericht und Kap. 4.6 in Nagra 2024p), weshalb sie keine Relevanz für die Langzeitsicherheit haben. Diese Einschätzung wird durch umfangreiche Erfahrungen aus der Öl- und Gasindustrie bestätigt, wo Tonsteine mit mineralisierten Trennflächen weltweit zum einen das undurchlässige Deckgebirge von Reservoiren bilden und zum anderen beim sogenannten «Fracking» in Tonsteinen die erzeugten Risse mit Stützmitteln offengehalten werden müssen, da sie sich sonst schnell wieder verschliessen würden (Kap. 5.7.2 und Kap. 5.7.6 in Nagra 2024p).