Die Nagra beantragt eine Rahmenbewilligung für ein geologisches Tiefenlager (gTL) mit der Oberflächenanlage am Standort Haberstal (Gemeinde Stadel, Kanton Zürich). Der vorliegende Sicherheitsbericht ist Bestandteil des Rahmenbewilligungsgesuchs (RBG) für das gTL und behandelt gemäss Art. 23 Bst. a KEV folgende Themen:
die Standorteigenschaften
den Zweck und die Grundzüge des Projektes
die voraussichtliche Strahlenexposition in der Umgebung der Anlage
die wichtigen personellen und organisatorischen Angaben
die Langzeitsicherheit
Des Weiteren werden die in ENSI (2018a) geforderten Sicherheitsnachweise für die Betriebs- und Nachverschlussphase dokumentiert sowie Vorschläge für die Eignungskriterien (Art. 14 Abs. 1 Bst. f Ziff. 1 KEG) und den vorläufigen Schutzbereich (Art. 14 Abs. 1 Bst. f Ziff. 2 KEG) gemacht.
Der Sicherheitsbericht hat die Aufgabe, nachvollziehbar darzulegen, dass die gesetzlich geforderten sicherheitstechnischen Vorgaben durch einen geeigneten Standort und eine geeignete Auslegung der Anlage erfüllbar sind und beim Bau, Betrieb und Verschluss des gTL erreicht werden können. Die anzuwendenden Gesetze, Verordnungen, Richtlinien und Normen sind in den jeweiligen Kapiteln, d. h. jeweils bei den einzelnen Themen, aufgeführt. Wo auf Ergebnisse und Aussagen aus Referenzberichten abgestützt wird, werden diese im Bericht referenziert.
Der Sicherheitsbericht enthält eine exemplarische Umsetzung der Gesamtanlage am Standort auf Stufe Konzept. Das Bewilligungsverfahren nach KEG sieht vor, dass dem Baugesuch ein spezifisches Projekt zugrunde zu legen ist. Dieses hat die Festlegungen der Rahmenbewilligung nach KEG zu berücksichtigen, wird aber ansonsten den Stand der Erfahrung und von Wissenschaft und Technik widerspiegeln und das Ergebnis von Weiterentwicklungen sein.
Die Grundsätze für die Nutzung der Kernenergie legt Art. 4 KEG fest. So sind Mensch und Umwelt vor Gefährdungen durch ionisierende Strahlen zu schützen und es muss insbesondere Vorsorge getroffen werden, dass es zu keiner unzulässigen Freisetzung radioaktiver Stoffe kommt. In der Schweiz müssen radioaktive Abfälle in einem gTL so entsorgt werden, dass der dauernde Schutz von Mensch und Umwelt gewährleistet ist Art. 3 KEG und Art. 30 Abs. 3 KEG.
Die radioaktiven Abfälle werden vorgängig in eine für das gTL geeignete Form gebracht (z. B. durch Konditionierung bzw. Verpackung) bevor sie im gTL sicher entsorgt werden. Die radioaktiven Abfälle sind bei der Anlieferung an das gTL verpackt und kontaminationsfrei.
Das aktuelle Lagerkonzept, das dem RBG zu Grunde liegt, geht von einem gTL mit zwei Lagerteilen aus:
einem SMA-Lagerteil für schwach- und mittelaktive Abfälle (SMA) und alphatoxische Abfälle (ATA)
und einem HAA-Lagerteil für abgebrannte Brennelemente (BE) und verglaste hochaktive Abfälle aus der Wiederaufarbeitung (WA-HAA).
Das Lagerkonzept wird im Rahmen der weiteren Bewilligungsschritte weiterentwickelt.
Der «Sachplan geologische Tiefenlager» (SGT) legte das Verfahren und die Kriterien fest, wie in der Schweiz das Wirtgestein und der Standort für ein gTL ausgewählt wurde (BFE 2008). Das Verfahren umfasste drei Etappen. Ausgehend von der gesamten Schweiz wurden in der letzten Etappe die verbliebenen drei Standortgebiete Jura Ost, Nördlich Lägern und Zürich Nordost mit einem umfangreichen erdwissenschaftlichen Untersuchungsprogramm vertieft untersucht. Die Standortwahl der Nagra erfolgte in einem sicherheitstechnischen Vergleich (Nagra 2025a) gemäss den behördlichen Vorgaben (ENSI 2018a). Der qualitative Vergleich entsprechend der vom SGT vorgegebenen Kriterien zur Sicherheit und technischer Machbarkeit (BFE 2008) ergab eindeutig Nördlich Lägern (NL) als bestes Standortgebiet sowohl für ein HAA- als auch für ein SMA-Lager. Die Vorgaben aus ENSI (2018a) sehen vor, dass beide Lager in einem gTL realisiert werden können. Weil sich das Standortgebiet NL sowohl für ein HAA-Lager als auch für ein SMA-Lager als bestes Standortgebiet erwiesen hat, beantragt die Nagra eine Rahmenbewilligung für ein gTL für alle Kategorien von radioaktiven Abfällen gemäss Art. 51 KEV (vgl. Kap. 2.3.3) am Standort Haberstal1 (Nagra 2024k). Der Standort des gTL (vgl. Kap. 2.1) umfasst einen Projektperimeter zur Anordnung der Oberflächenanlage sowie einen vorläufigen Schutzbereich für die Umsetzung der Untertaganlage.
Im weiteren Verlauf des Berichts wird für Standort Haberstal nur «Standort» benutzt. ↩
Untersuchungen, Analysen und Nachweise sowie deren Dokumentation, die im Hinblick auf die Standorteignung und für die Erstellung der dazu gehörenden Dokumente im Zuge des RBG durchgeführt wurden, wurden durch eine systematische Qualitätssicherung begleitet, unterstützt und freigegeben. Damit werden relevante Anforderungen und Erwartungen aus gesetzlichen, behördlichen und öffentlichen Bereichen2 als auch die Ansprüche der Nagra selbst an die Qualität der Gesuchs- und Referenzdokumente sichergestellt und entsprechend berücksichtigt.
Für die Erarbeitung des RBG inkl. der Referenzdokumentation wurde ein Kernteam von hochqualifizierten Fachpersonen mit dem für ihre Aufgaben erforderlichen Wissen und Sicherheitsbewusstsein zusammengestellt. Das Team wurde bei seiner Arbeit durch Experten der Schweizer Kernenergiebranche sowie von weiteren nationalen und internationalen Experten/Firmen unterstützt. Die Verantwortung für die Expertenbeauftragung, die Koordination deren Arbeiten und die Qualitätssicherung der Ergebnisse bzw. deren Dokumentation liegt beim Kernteam. Zusätzlich erarbeiten und prüfen die beauftragten Experten/Firmen ihren Arbeitsfortschritt und Ergebnisse im Rahmen ihrer eigenen, zertifizierten Qualitätssicherungsprogramme. Bei der Auftragsvergabe an qualifizierte Auftragnehmer wurde darauf geachtet, dass die Aufgabe genügend klar definiert und die Schnittstellen zu anderen Aufgaben gut beherrschbar sind sowie eine Begleitung durch einen ebenfalls qualifizierten Auftraggeber/Projektleiter stets gewährleistet ist.
Die Beauftragung und Abwicklung der Arbeiten sowie die Erstellung der RBG-Dokumente erfolgt innerhalb eines klar definierten Management-Systems der Nagra, welches seit 2005 als Qualitätsmanagement-System gemäss ISO 9001 zertifiziert ist. Innerhalb dieses Systems sind u. a.
Prozesse und Abläufe definiert (bspw. Qualifikationsbeurteilung und Qualitätskontrolle von externen Experten/Firmen, Erstellung und Prüfung der Gesuchsunterlagen etc.),
Anforderungen an die einzelnen Aufgaben (Umfang, Detaillierungsgrad etc.) sowie an die auszuführenden Bearbeiter (Qualifikation, Erfahrung etc.) spezifiziert,
Funktionen und Rollen der Organisationseinheiten bzgl. Aufgaben, Verantwortlichkeiten und Schnittstellen (insb. Fortschritts- und Qualitätsprüfungen, Entscheidungen bzw. Entscheidfindung) geregelt und festgelegt.
Die Hauptziele sind die Etablierung wiederholbarer, beständiger Arbeitsprozesse sowie eine stetige Verbesserung von Projekt und Gesuchsunterlagen. Umfangreiche und systematische Reviews (intern und/oder extern) spielen dabei eine zentrale Rolle und stellen einen formellen Prozess dar, bei dem Prüfergebnisse und daraus resultierende Massnahmen, Entscheide bzw. Anpassungen dokumentiert werden. Ebenso führt das System dazu, dass das Qualitätsbewusstsein für interne Arbeitsabläufe sowie für die externe Berichterstattung bereits in der Planungsphase entscheidend gefördert wird. In Anbetracht der Langfristigkeit des Vorhabens ist dieser Aspekt bereits heute – und auch in den nachfolgenden Phasen – von Bedeutung.
Die Datengrundlage orientiert sich am Informationsstand per 31.01.2024. ↩