In diesem Kapitel ist die in ENSI (2023a) geforderte sog. Beschreibung der zu erwartenden Entwicklung des gTL in der Nachverschlussphase unter Berücksichtigung der möglichen gegenseitigen Wechselwirkungen der unterschiedlichen Materialien und anderer im gTL ablaufender Prozesse zusammengefasst, die in Kap. 5.3 von Nagra (2024v) und in Nagra (2024u) beschrieben sind.
Die Entwicklung der Eigenschaften der technischen und geologischen Barrieren nach dem Verschluss des gTL bildet die Grundlage für die Sicherheitsanalysen. Die Eigenschaften und das Langzeitverhalten des Abfallinventars Nagra (2023c), der technischen (z. B. Nagra 2024g, Nagra 2021c) und geologischen Barrieren (Nagra 2024p) sind aufgrund langjähriger Forschungsarbeiten bekannt (vgl. Kap. 4.2 bis 4.5) und anhand von Beobachtungen, Experimenten in Felslaboren und Systemanalysen (vgl. Kap. 4.6.3) gut verstanden und dadurch prognostizierbar (Nagra 2024u). Die Entwicklung ist geprägt durch Wechselwirkungen zwischen den technischen und geologischen Barrieren sowie durch geologische Prozesse.
Alle radioaktiven Abfälle, die eingelagert werden, müssen den Annahmebedingungen entsprechen. Für die Sicherheitsanalysen werden das Radionuklidinventar, die Abfallarten, Massen und Volumen aus Nagra (2023c) berücksichtigt.
Im gTL kommt es vor der Einlagerung durch den Bau und die Belüftung der untertägigen Anlage zu einer Entsättigung und Absenkung des Porenwasserdrucks im unmittelbar an die untertägigen Bauten angrenzenden Gebirge (Kap. 5.3.3 in Nagra 2024v). Des Weiteren führen Spannungsumlagerungen zur Bildung einer Auflockerungszone im Gebirge, das direkt an die untertägigen Bauten angrenzt (Kap. 3.2.2 in Nagra 2024u). In der Nachverschlussphase sättigt dieser Bereich wieder auf und der ursprüngliche Porenwasserdruck stellt sich wieder ein, wodurch sich auch die Auflockerungszone durch Selbstabdichtung schliesst (Kap. 5.3.3 in Nagra (2024v) sowie Kap. 6.1 und Kap. 6.2 in Nagra (2024u)).
In den HAA-Lagerstollen sättigt sich die anfangs trockene Bentonitverfüllung mit Porenwasser aus dem Opalinuston auf (Kap. 5.3.6 in Nagra 2024v). Der limitierende Faktor dabei ist die äusserst geringe hydraulische Durchlässigkeit des Opalinustons, weshalb eine vollständige Sättigung der Bentonitverfüllung nach einigen hundert Jahren erwartet wird. Die Aufsättigung führt beim Bentonit zu der Entwicklung eines Quelldrucks, einer Verschiebung der Porengrössenverteilung und dadurch zu einer sehr geringen hydraulischen Durchlässigkeit (Kap. 6.1 in Nagra 2024u).
In den ersten paar tausend Jahren der Nachverschlussphase führt die Zerfallswärme der HAA zu einem vorübergehenden Anstieg der Temperatur und des Porenwasserdrucks im Gebirge um die HAA-Lagerstollen (Kap. 5.3.6 in Nagra (2024v) sowie Kap. 6.1 und 6.2 in Nagra (2024u)). Die Höhe des Temperatur- und Druckanstieges nimmt mit zunehmender Entfernung von den HAA-Endlagerbehältern ab. Während mindestens tausend Jahren ist der vollständige Einschluss der HAA in den Endlagerbehältern sichergestellt. Danach werden die Behälter infolge Korrosion zunehmend undicht.
Auch das Nahfeld der SMA-Lagerkavernen sättigt mit Porenwasser aus dem Opalinuston auf. Aufgrund der Kavernengrösse des aktuellen Lagerkonzepts dauert dieser Vorgang aber länger als bei den HAA-Lagerstollen und es können infolge der langsamen Aufsättigung oder durch Gas, das in den SMA-Lagerkavernen entsteht, luft- oder gasgefüllte Poren bestehen bleiben (Kap, 5.3.5 in Nagra (2024v) sowie Kap. 6.2 und 7.2 in Nagra (2024u)). Das Gas wird durch Kontakt von Wasser mit korrosions- und degradationsfähigen Materialien gebildet. Der Grossteil der Gasbildung im gesamten gTL findet im SMA-Lagerteil während der ersten tausend bis zehntausend Jahren statt. Die produzierten Gase sammeln sich zunächst im First der Lagerkavernen an, während sich im unteren Teil der Lagerkavernen Porenwasser sammelt. Bei steigendem Gasdruck erfolgt dann die Gasmigration aus den Lagerkavernen in die Lagerfeldzugänge und den Haupterschliessungsbereich sowie in das umgebende Wirtgestein.
Sowohl bei den HAA-Lagerstollen und SMA-Lagerkavernen degradiert der Tunnelausbau im Verlaufe der Zeit und verliert seine mechanische Festigkeit (Kap 5.3.5 und 5.3.6 in Nagra 2024v). Die daraus resultierende Spannungsumverteilung hat jedoch keinen Einfluss auf die sicherheitsrelevanten Eigenschaften der Barrieren, da das Verfüllmaterial die Lagerkammern mechanisch stabilisiert und die Konvergenz der Lagerkammern begrenzt.
Verbleib und Verhalten der Radionuklide im gTL
Das Verhalten der Radionuklide im gTL lässt sich nach dem Verschluss grob in unterschiedliche Phasen einteilen (Kap. 5.4 in Nagra 2024v), die sich zu einem gewissen Grad überschneiden:
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Bei den HAA sind die Radionuklide zu Beginn vollständig in den Endlagerbehältern eingeschlossen. Dieser Einschluss muss für mindestens tausend Jahre sichergestellt sein.
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Nach dem Versagen der HAA-Endlagerbehälter werden die noch nicht zerfallenen Radionuklide zum grössten Teil sehr langsam aus der Brennstoffmatrix und dem Glas gelöst.
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Die SMA-Endlagerbehälter bieten zunächst einen Widerstand gegen das Eindringen von Porenwasser. Doch mit der Zeit zersetzen sie sich und das Wasser gelangt in Kontakt mit den Abfallgebinden.
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Die Radionuklide, die aus den Endlagerbehältern in die Verfüllung der HAA-Lagerstollen oder das Nahfeld der SMA-Lagerkavernen gelangen, werden dort zurückgehalten und zerfallen oder bewegen sich sehr langsam durch die Verfüllungen oder das Nahfeld in das Wirtgestein und/oder das Verschlusssystem.
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Nur ein sehr geringer Teil der Radionuklide erreicht das Wirtgestein. In gelöster Form können nur sehr langlebige und nicht sorbierende Radionuklide in geringsten Konzentrationen den EG verlassen und in die tiefen Felsaquifere gelangen. Dieser Prozess erfolgt sehr langsam, da Diffusion den Transport im EG bestimmt.
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Bei der Dosiskalkulation wird davon ausgegangen, dass diese wenigen Radionuklide über die tiefen Felsaquifere direkt zur Biosphäre vordringen und dort geringfügig zu der Gesamtdosis beitragen können. Dabei handelt es sich um konservative Annahmen, da zusätzliche Abschwächungen, Verdünnungen und Verzögerungen von mehreren tausend bis hunderttausend Jahre vernachlässigt sind, welche sich durch den Zerfall und die Dispersion während des Transports aus den tiefen Felsaquiferen, die sich mehrere hundert bis tausend Meter unterhalb der Erdoberfläche befinden, ergeben.
Der Grossteil der Radionuklide wird das gTL nicht verlassen, sondern dort aufgrund der Rückhaltung in den Barrieren zerfallen.