Die hydraulische Durchlässigkeit des Opalinustons und der Rahmengesteine des EG ist so gering, dass Diffusion der dominante Transportmechanismus von Radionukliden ist (Kap. 5.9 in Nagra 2024p). Ferner wird eine Vielzahl von Radionukliden durch Sorption an den Gesteinsoberflächen chemisch gebunden (Kap. 5.4 in Marques Fernandes et al. 2024b). Dies bewirkt für diese Radionuklide eine zusätzliche Verzögerung und einen verlangsamten Transport. Die geologischen Barrieren leisten durch Diffusion und Sorption einen wichtigen Beitrag zur Sicherheitsfunktion der Rückhaltung der Radionuklide.

Diffusion

Der wichtigste Parameter für die Diffusion ist der effektive Diffusionskoeffizient. Die Werte für den effektiven Diffusionskoeffizient des Opalinustons sind niedrig und variieren minimal (Kap. 5.8 in Nagra 2024p). Die Einheiten des Dogger oberhalb des Opalinustons und des Lias weisen eine grössere Variabilität bei den effektiven Diffusionskoeffizienten als der Opalinuston auf; diese sind aber immer noch niedrig (Kap. 5.8 in Nagra 2024p). Die Rahmengesteine leisten dadurch einen zusätzlichen Beitrag zur langsamen Frei­setzung der Radionuklide.

Ein Nachweis für die extrem niedrigen Transportraten in der geologischen Barriere sind die Profile von natürlichen Tracern im Porenwasser auf Formationsmassstab (Kap. 4.6 in Nagra 2024p). Natürliche Tracer sind stabile Isotope, chemische Elemente, Gase, oder ähnliche Stoffe, die im Porenwasser vorkommen und sich über Zeit kaum verändern oder abgebaut werden. Diese Eigenschaften werden genutzt, um die Transportprozesse über lange geologische Zeiträume und Distanzen zu untersuchen. Die verschiedenen Tracerprofile des EG aus den Tiefbohrungen im Standortgebiet NL zeigen wenig Variation über die Tiefe und nur geringe Gradienten (z. B. Fig. 4-119 in Nagra 2024p), was die sehr stabilen hydrogeologischen Verhältnisse im Opalinuston und dem gesamten EG bestätigt. Mittels numerischen Transport­modellierungen wurden diese Tracerprofile nachgebildet (z. B. Fig. 4-123 in Nagra 2024p). Die Ergebnisse zeigen, dass Diffusion der dominante Transportprozess für den EG zwischen den Aquiferen während der letzten hunderttausenden bis einige Millionen Jahre war. Die Tracerprofile liefern somit unabhängige Evidenzen für die grossräumige hydraulische Barrierewirkung und den diffusionsbasierten Transport im EG über geologische Zeitskalen hinweg. Dadurch sind auch die zukünftigen, langfristigen Transportraten zuverlässig prognostizierbar.

Die Untersuchungsergebnisse zu den Diffusionseigenschaften zeigen, dass am Standort eine mehr als ausreichende Ausdehnung von geeignetem Wirtgestein vorliegt und das gesamte EG sich durch günstige und stabile hydrogeologische Verhältnisse auszeichnet. Am Standort werden die hohe Einschlusswirksamkeit respektive die günstigen hydrogeologischen Verhältnisse und hohe Qualität der geologischen Barriere auch durch eine besonders angereicherte Zusammensetzung der stabilen Isotope im Opalinuston deutlich, was auf eine besonders grosse Komponente an sehr altem Porenwasser hinweist.

Sorption

Gesteine mit hohem Tonmineralgehalt besitzen ein hohes Rückhaltevermögen für viele Radio­nuklide aufgrund ihrer hohen Sorptionskapazität und -affinität. Die Sorption von Radionukliden37 findet vorwiegend an unterschiedlichen Bindungsstellen der negativ geladenen Tonmineral­oberflächen statt. Der hohe Tonmineralgehalt, die vorteilhafte Porenwasserchemie und die Poren­struktur des Opalinustons stellen die Sorption der Radionuklide und die räumlich kon­stanten Sorptionseigenschaften sicher (Marques Fernandes et al. 2024a) und Kap. 5.3.4 in  Nagra (2024p). Die Immobilisierung und Rückhaltung der Radio­nuklide durch Sorption findet am Standort über die gesamte Ausdehnung des Wirtgesteins Opalinuston statt (Kap. 5.4 in Marques Fernandes et al. 2024b), was zu den günstigen hydrogeologischen Verhältnissen beiträgt.

Radionuklide, welche in anionischer oder neutraler Form vorliegen, gehen solchen Wechselwirkungen nur unter speziellen Bedingungen unter tiefen pH-Werten ein. ↩