In diesem Kapitel werden die strahlenschutztechnischen Auslegungsgrundsätze für den Normalbetrieb der Anlage dargestellt. Dabei wird auf Basis des Gefährdungspotenzials einer BEVA die voraussichtliche Strahlenexposition in der Umgebung der Anlage diskutiert, wie sie entsprechend Art. 23 KEV verlangt wird. Damit ist gemäss Botschaft zum KEG (Botschaft KEG 2001, Kap. 8.4.1.3) der quellenbezogene Dosisrichtwert (qbDR) im Sinne von Art. 7 StSV gemeint.
Die Grundsätze des Strahlenschutzes gelten entsprechend den Art. 8 bis 10 StSG (1991) für Mensch und Umwelt und sind universell für das Anlagepersonal selbst als auch für die Bevölkerung gültig. Die Vorgaben aus der Verordnung des EDI über den Umgang mit radioaktiven Material (UraM 2017) sowie die Anforderungen der ENSI-G12 (ENSI 2021a) gelten sinngemäss.
Rechtfertigung der Strahlenexposition
Eine Tätigkeit, bei der Menschen oder die Umwelt ionisierenden Strahlen ausgesetzt sind (Strahlenexposition), darf nur ausgeübt werden, wenn sie sich mit den damit verbundenen Vorteilen und Gefahren rechtfertigen lässt (Art. 8 StSG). In der Schweiz wird die geologische Tiefenlagerung radioaktiver Abfälle gesetzlich verlangt. Aufgrund der mit der sicheren und langfristigen Entsorgung in einem gTL verbundenen gesellschaftlichen Vorteile ist im Sinne der Strahlenschutzgesetzgebung die Rechtfertigung einer möglichen Strahlenexposition durch die BEVA als notwendiges Glied in der Entsorgungskette (vgl. Kap. 1) in einem bestimmten Rahmen gegeben.
Im Rahmen der Auslegung und im Betrieb der BEVA werden Strukturen, Systeme und Komponenten sowie Prozesse so gewählt, dass die mit ihnen verbundenen Vorteile die strahlungsbedingten Nachteile deutlich überwiegen und gesamthaft für Mensch und Umwelt keine vorteilhaftere Alternative ohne oder mit geringerer Strahlenexposition zur Verfügung steht (Art. 3 StSV).
Dosisgrenzwerte, Begrenzung der Strahlenexposition und Optimierung
Das StSG und die StSV legen Dosisgrenzwerte sowohl für jene Personen fest, die aufgrund ihrer Tätigkeit innerhalb der BEVA als beruflich strahlenexponiertes Personal gelten, als auch für nichtberuflich strahlenexponierte Personen auf dem Betriebsareal sowie für die Bevölkerung. Zum Schutz für Personen aus der Bevölkerung wird unter Bezugnahme auf Art. 7 StSV ein qbDR für den gesamten Standort vorgeschlagen (vgl. Kap. 6.3). Der qbDR stellt ein Optimierungsinstrument dar, der die Einhaltung des Dosisgrenzwerts für die Bevölkerung gemäss Art. 22 StSV sicherstellt.
Es werden adäquate Massnahmen ergriffen, die nach der Erfahrung und dem etablierten Stand von Wissenschaft und Technik geboten sind, um die Strahlenexposition jeder einzelnen Person sowie der Gesamtheit der Betroffenen durch den Betrieb der Anlage und ihrer Stilllegung wirksam zu begrenzen, d. h. so gering wie vernünftigerweise erreichbar zu halten (Art. 9 StSG). Dies soll durch die intensive fachbezogene strahlenschutztechnische Mitarbeit und Begleitung des Vorhabens von Beginn an durch erfahrene Strahlenschutzfachpersonen erreicht werden. Dabei wird das Strahlenschutzkonzept der BEVA ein adäquates radiologisches Zonen- und Überwachungskonzept vorsehen, um die jeweiligen gesetzlich geforderten Dosisbegrenzungen innerhalb der Anlage, auf dem Anlageareal und in der Umgebung zu gewährleisten und nachzuweisen. Insbesondere die langjährigen Betriebserfahrungen aus vergleichbaren Anlagen wie der Zwilag oder dem Zwibez werden für die Auslegung und Optimierung der Strahlenschutzmassnahmen herangezogen, da diese Anlagen bereits heute in jedem Fall die gesetzlichen und behördlichen Grenz- und Richtwerte bei weitem unterschreiten.
Die durch die BEVA verursachte Strahlenexposition für die Bevölkerung in der Umgebung der Anlage setzt sich zusammen aus der minimen Strahlenexposition infolge von luftgetragenen Abgaben radioaktiver Stoffe und der minimalen Direktstrahlung aus der Anlage. Allfällige in der kontrollierten Zone infolge der Dekontamination von Anlagenteilen und Ausrüstungen sowie auch bei der Personendekontamination anfallende radioaktiv kontaminierte Flüssigkeiten werden gesammelt, behandelt und gesetzeskonform entsorgt (bspw. mittels der vorhandenen Abfallbehandlungs- und Konditionierungsanlagen der Zwilag oder des PSI). Nebst der aus dem Normalbetrieb der Anlage resultierenden Strahlenexposition sind zudem diejenigen bei Störfällen zu betrachten, wobei letztere nach den in der StSV vorgegebenen Häufigkeiten einzuteilen und die vorgegebenen Dosisgrenzen einzuhalten sind (Art. 123 StSV).
Insgesamt handelt es sich bei der BEVA – wie bereits in Kap. 5.3 dargelegt – um eine Anlage mit sehr kleinem Gefährdungspotenzial. Nur im Inneren der Umladezelle können Direktstrahlung und Kontaminationen während der Umladevorgänge prozessbedingt auftreten. Der Schutz von Mensch und Umwelt vor radiologischen Auswirkungen und die Einhaltung der Grenz- und Richtwerte wird dabei im Wesentlichen durch hinreichende Wandstärken zur Abschirmung der Direktstrahlung aus und innerhalb der Anlage sowie durch den Einschluss der radioaktiven Stoffe mittels eines gestaffelten Barrieren- und Schutzkonzepts (Kap. 5.2) als auch durch hinreichend bemessene Rückhaltesysteme zur Begrenzung der Abgaben radioaktiver Stoffe erzielt. Zu letzterem zählen die entsprechend dem Strahlenschutzkonzept vorgesehene Einrichtung von kontrollierten Zonen inkl. einer Unterdruckstaffelung und Abluftfilterung sowie eine radiologische Überwachung der Abluft. Um eine Verschleppung von radioaktiven Partikeln auszuschliessen, wird der Material- und Personentransfer zwischen den Zonen entsprechend kontrolliert und überwacht. Es existiert dabei ein grosser und langer Erfahrungshintergrund für Heisse Zellen (z. B. Zwilag oder PSI), der aufzeigt, in welchem Rahmen sich die künftige strahlenschutztechnische Auslegung der Anlage bewegen wird.
Eine Reduktion der Strahlenexposition weit unterhalb der geforderten Grenz- und Richtwerte lässt sich somit allein durch eine (bereits in vergleichbaren Anlagen bewährte) konsequente strahlenschutztechnische Anlageauslegung erreichen. Es ist folglich davon auszugehen, dass die von der BEVA im Normalbetrieb verursachte Strahlenexposition für Mensch und Umwelt vergleichbar bzw. kleiner sein wird als ähnliche Anlagen (z. B. Zwilag, vgl. Kap. 6.5). Dies gilt ebenfalls für die bereits in Kap. 5.3.4 diskutierten maximal möglichen Freisetzungen infolge von Störfällen.
Ein Vorschlag für den quellenbezogenen Dosisrichtwert (qbDR) am Standort wurde bereits in Kap. 2.4 dokumentiert, sodass an dieser Stelle darauf verwiesen wird.
Die Immissionen und die Ortsdosisleistung ausserhalb der Anlage werden im Rahmen des bereits bestehenden (durch Zwilag und PSI), ggf. erweiterten radiologischen Überwachungsprogramms am Standort gemessen, und die Einhaltung des bisherigen langjährigen Immissionslevels wird verifiziert. Zur Überwachung der Einhaltung der Immissionsgrenzwerte gehört im Sinne einer Kontrollmassnahme – wie sie in Art. 113 StSV vorgesehen sind – ebenfalls die Aufnahme von Nullmessungen während einiger Jahre vor der Betriebsaufnahme der BEVA. Hierfür können die langjährig aufgenommenen Messdaten der Zwilag und des PSI dienen.
Mittels dieser Messungen zur Immissionsüberwachung der Umgebung soll innerhalb der Gesamtüberwachung des Standorts insbesondere die Einhaltung des qbDR nachgewiesen werden.
Die gegenwärtige und vergangene unbedenkliche radiologische Situation des Standorts ist durch die radiologische Umgebungsüberwachung des Zwilag und des PSI seit Jahrzehnten gut belegt und in den jährlichen ENSI-Strahlenschutzberichten sowie -Aufsichtsberichten ausführlich dokumentiert. Die Ergebnisse dieser Umgebungsüberwachung können vor Inbetriebnahme der BEVA als Nullmessungen gemäss Art. 113 StSV verwendet werden.
Zwilag
Entsprechend den Ergebnissen der über 20-jährigen Umgebungsüberwachung des Zwilag liegt bis heute keine künstliche Beeinflussung der Ausgangssituation vor. Die aufgrund der Abgaben unter ungünstigen Annahmen berechnete Jahresdosis für fiktive Einzelpersonen der Bevölkerung in der Umgebung des Zwilag lag mit weniger als 0.001 mSv deutlich unterhalb des quellenbezogenen Dosisrichtwerts gemäss Zwilag-Abgabereglement. Die Umgebungsüberwachung für den gesamten Standort zeigte keine dem Betrieb der beiden Anlagen (PSI und Zwilag) zuzuschreibende Erhöhung gegenüber der Untergrundstrahlung (ENSI 2023a).
Paul Scherrer Institut
Entsprechend den Ergebnissen der über 50-jährigen Umgebungsüberwachung des PSI bzw. dessen Vorgänger liegt bis heute keine künstliche Beeinflussung der Ausgangssituation vor. Aus den bilanzierten Abgaben radioaktiver Stoffe über die Fortluftanlagen und über das Abwassersystem wurde unter konservativen Annahmen für den ungünstigsten Aufenthaltsort ausserhalb des überwachten PSI-Areals eine Jahresdosis für fiktive Einzelpersonen der Bevölkerung von weniger als 0.008 mSv pro Jahr berechnet (ENSI 2023a). Diese potenzielle Jahresdosis lag deutlich unterhalb des qbDR gemäss PSI-Abgabereglement.
Die langjährige Erfahrung im Zwilag, Zwibez sowie bei der BE-Handhabung in den KKW zeigt einheitlich, dass aus ähnlichen Arbeiten zur Umladung resp. Verpackung von BE keine bedeutende Strahlenexposition für Personal, Bevölkerung und die Umwelt resultiert. Gestützt auf diese Erfahrungen wird mit den aufgeführten nuklearen Auslegungsprinzipien und mit einem geeigneten Strahlenschutz- und Überwachungskonzept angestrebt, dass sowohl die Direktstrahlung, die Abgabe radioaktiver Stoffe aus der BEVA als auch die daraus resultierende Strahlenexposition der Bevölkerung auf jeden Fall vergleichbar niedrig liegen wie bei den korrespondierenden Anlageteilen zur BE-Handhabung in den KKW und den Anlagen Zwilag, Zwibez sowie dem Hotlabor.
Es kann demnach bereits heute mit grosser Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die mit dem Betrieb der BEVA einhergehende Strahlenexposition in der Umgebung der Anlage ebenfalls äusserst gering sein wird im Vergleich zur durchschnittlichen effektiven Dosis der Schweizer Bevölkerung (ca. 6 mSv/a für eine Person, BAG 2021) und somit für Personal und Bevölkerung keine unzulässige Zusatzbelastung darstellt. Dies unterstützt und rechtfertigt die Fortführung des bestehenden quellenbezogenen Dosisrichtwerts von 0.3 mSv pro Kalenderjahr für nicht strahlenexponierte Personen in der Umgebung des gemeinsamen Standorts. Die BEVA wird zum Zeitpunkt ihrer Errichtung und späteren Inbetriebnahme auf der Basis der kerntechnischen Erfahrungen einem Stand von Wissenschaft und Technik der 2050er Jahre entsprechen und so eine strahlenschutztechnisch optimal ausgelegte und ausgereifte Anlagencharakteristik aufweisen.