Für hochaktive Abfälle (HAA) ist für die geologische Tiefenlagerung eine Umverpackung in Endlagerbehälter notwendig. Die Umverpackung erfolgt am Standort Zwilag (Gemeinde Würenlingen, Kanton Aargau) in der Brennelementverpackungsanlage (BEVA), für deren Realisierung eine eigenständige Rahmenbewilligung erforderlich ist. Die in der BEVA endlagerfähig verpackten hochaktiven Abfälle werden im geologischen Tiefenlager (gTL) am Standort Haberstal (Gemeinde Stadel, Kanton Zürich) eingelagert (Nagra 2024d).
Die BEVA stellt ein notwendiges Funktionsglied zwischen der Zwischenlagerung und der geologischen Tiefenlagerung im Bereich der hochradioaktiven Abfallentsorgung für abgebrannte Brennelementen (BE) und hochaktive Abfälle aus der Wiederaufarbeitung (WA-HAA) dar. Die BEVA als unabdingbares Glied in der Entsorgungskette ist in Fig. 1‑1 dargestellt.
Fig. 1‑1:Übergeordnete Elemente der Entsorgung in der Schweiz
Modellhafte Darstellung der Entsorgungskette für hochaktive Abfälle: Abgebrannte Brennelemente (BE) und hochaktive Abfälle aus der Wiederaufarbeitung (WA-HAA) aus dem Betrieb der Kernkraftwerke werden zwischengelagert und von den Zwischenlagern (Zwilag und Zwibez) zur BEVA transferiert. Dort werden sie in Endlagerbehälter verpackt und anschliessend zum geologischen Tiefenlager transportiert, wo sie im HAA-Lagerteil eingelagert werden (in Anlehnung an das Entsorgungsprogramm, Nagra 2021).
Für den Bau und Betrieb einer Kernanlage ist gemäss Kernenergiegesetz (Art. 12 KEG 2003) eine Rahmenbewilligung des Bundesrats erforderlich. Zur Einleitung des Bewilligungsverfahrens ist ein Gesuch mit den notwendigen Unterlagen gemäss Art. 42 KEG einzureichen. Die Kernenergieverordnung (KEV) definiert diese Unterlagen, wobei vorliegender Sicherheitsbericht gemäss Art. 23 KEV (2004) zur vollständigen Dokumentation eines Rahmenbewilligungsgesuchs (RBG) gehört und im Berichtsaufbau im Wesentlichen den Anforderungen der KEV folgt.
Der Sicherheitsbericht hat die Aufgabe, nachvollziehbar darzulegen, dass alle gesetzlich geforderten Sicherheitsaspekte durch einen geeigneten Standort und eine geeignete Auslegung der beantragten Anlage auf Stufe Konzept erfüllbar sind und in einer späteren Bauphase umgesetzt werden können. Der Bericht befasst sich somit mit der detaillierten Charakterisierung des Standorts und den standortspezifischen Einwirkungen von aussen, die quantitativ anhand einer Gefährdungsanalyse untersucht und bewertet werden. Zudem enthält er die für das Gefahrenpotenzial einer BEVA wesentlichen Grundzüge des Sicherheitsdispositivs der geplanten Kernanlage, d. h. die sicherheitstechnischen Auslegungsgrundlagen zur Gewährleistung der nuklearen Sicherheit, die strahlenschutztechnischen Auslegungsgrundlagen sowie die wichtigsten personellen und organisatorischen Grundsätze. Die RBG-relevanten und anzuwendenden Gesetze, Verordnungen, Richtlinien und Normen sind in den jeweiligen Kapiteln, d. h. jeweils bei den einzelnen Themen, dokumentiert. Auf detailliertere Referenzberichte, z. B. die standortspezifischen Gefährdungsanalysen, wird aufgebaut und eindeutig im Bericht verwiesen.
Die BEVA stellt zwar eine für die Schweiz neuartige Kernanlage zur tiefenlagergerechten Verpackung von über mehrere Jahrzehnte zwischengelagerten HAA dar, deren einzelne Bestandteile – mit Ausnahme des Verschlusses der Endlagerbehälter – jedoch bereits innerhalb anderer Kernanlagen in der Schweiz seit Jahrzehnten dem Prinzip nach sicher und erprobt im Einsatz stehen. Am Standort Zwilag lassen sich zudem kompakte Anlagen auf und neben dem Areal der Zwilag errichten. Im Verbund mit den bestehenden Anlagen und der bewährten Organisation der Zwilag besteht somit zukünftig die Möglichkeit, Synergien zwischen den Anlagen zu realisieren.
Im RBG, in dem der Standort und der Rahmen des Projekts anhand seiner Grundzüge festgelegt werden (Art. 14 KEG), wird für das Gesuch eine weitgehend1 autonome BEVA zugrunde gelegt, d. h., alle für den sicheren und unabhängigen Betrieb der BEVA notwendigen Funktionen werden im Vorhaben berücksichtigt. Das exemplarische Vorhaben orientiert sich am Realisierungsplan des Entsorgungsprogramms 2021 (Nagra 2021) und wird anhand einer konzeptionellen Beschreibung der BEVA und deren Betriebsabläufe sowie weiterer Anforderungen skizziert. Die Machbarkeit wird anhand einer exemplarischen Anordnung relevanter Bauwerke bzw. Flächen auf dem Anlagenperimeter aufgezeigt.
Der Sicherheitsbericht gibt den Stand der Bewertungen in der Phase RBG wieder und dient als Grundlage für die Weiterentwicklung und Optimierung der BEVA am Standort für die nachfolgenden Bewilligungsschritte. Eventuell notwendige Anpassungen und Präzisierungen werden bei fortgeschrittenem Wissens- und Projektierungsstand gemäss dem etablierten Stand von Wissenschaft und Technik vorgenommen. Sicherheitsanalysen bzw. -nachweise zu endgültigen, zum heutigen Zeitpunkt noch offenen Aspekten sind Gegenstand weiterer Sicherheitsbewertungen im Rahmen künftiger Bewilligungsschritte.
Beispielsweise zählt die Konditionierung der beim BEVA-Betrieb anfallenden radioaktiven Abfälle (SMA) nicht zur Autonomie. Diese Abfälle werden in bestehende Konditionierungsanlagen der Zwilag bzw. PSI überführt. ↩
Untersuchungen, Analysen und Nachweise sowie deren Dokumentation, die im Hinblick auf die Standorteignung und für die Erstellung der Dokumente im Zuge des RBG durchgeführt wurden, wurden durch eine systematische Qualitätssicherung begleitet, unterstützt und freigegeben. Damit werden sowohl relevante Anforderungen und Erwartungen aus gesetzlichen, behördlichen und öffentlichen Bereichen2 als auch die Ansprüche der Nagra selbst an die Qualität der Gesuchs- und Referenzdokumente sichergestellt und entsprechend berücksichtigt.
Für die Erarbeitung des RBG inkl. der Referenzdokumentation wurde ein Kernteam von hochqualifizierten Fachpersonen mit dem für ihre Aufgaben erforderlichen Wissen und Sicherheitsbewusstsein zusammengestellt. Das Team wurde bei seiner Arbeit durch Experten der Schweizer Kernenergiebranche sowie durch weitere nationale und internationale Experten bzw. Firmen unterstützt. Die Verantwortung für die Expertenbeauftragung, die Koordination der Arbeiten und die Qualitätssicherung der Ergebnisse bzw. deren Dokumentation liegt beim Kernteam. Zusätzlich erarbeiten und prüfen die beauftragten Experten und Firmen ihren Arbeitsfortschritt und die Ergebnisse im Rahmen ihrer eigenen, zertifizierten Qualitätssicherungsprogramme. Bei der Auftragsvergabe an qualifizierte Auftragnehmende wurde dabei darauf geachtet, dass die Aufgabe genügend klar definiert ist und die Schnittstellen zu anderen Aufgaben gut beherrschbar sind sowie eine Begleitung durch eine ebenfalls qualifizierte Projektleitung stets gewährleistet ist.
Die Beauftragung und Abwicklung der Arbeiten sowie die Erstellung der RBG-Dokumente erfolgt innerhalb eines klar definierten Management-Systems der Nagra, welches seit 2005 als Qualitätsmanagement-System gemäss ISO 9001 zertifiziert ist. Innerhalb dieses Systems sind u. a.
Prozesse und Abläufe definiert (beispielsweise Qualifikationsbeurteilung und Qualitätskontrolle von externen Experten / Firmen, Erstellung und Prüfung der Gesuchsunterlagen etc.).
Anforderungen an die einzelnen Aufgaben (Umfang, Detailierungsgrad etc.) sowie an die auszuführenden Bearbeitenden (Qualifikation, Erfahrung etc.) spezifiziert.
Funktionen und Rollen der Organisationseinheiten bzgl. Aufgaben, Verantwortlichkeiten und Schnittstellen (insbesondere Fortschritts- und Qualitätsprüfungen, Entscheidungen bzw. Entscheidungsfindung) geregelt und festgelegt.
Das Hauptziel ist die Etablierung wiederholbarer, robuster Arbeitsprozesse, um eine permanente Verbesserung des Projekts und der Gesuchsunterlagen zu erreichen. Umfangreiche und systematische Reviews (intern und/oder extern) spielen dabei eine zentrale Rolle und stellen einen formellen Prozess dar, bei dem Prüfergebnisse und daraus resultierende Massnahmen, Entscheide bzw. Anpassungen dokumentiert werden. Ebenso führt das System dazu, dass das Qualitätsbewusstsein für die internen Arbeitsabläufe sowie für die externe Berichterstattung bereits in der Planungsphase entscheidend gefördert wird. In Anbetracht der Langfristigkeit des Vorhabens ist dieser Aspekt bereits heute – und auch in den nachfolgenden Phasen – von Bedeutung.
Die Datengrundlage orientiert sich am Informationsstand per 31.01.2024. ↩