In diesem Kapitel werden gemäss Art. 23 KEV die wichtigsten personellen und organisatorischen Angaben zum Projekt dokumentiert. Diese Angaben beinhalten im Hinblick auf die späteren Bewilligungsschritte und in Anlehnung an Anhang 4 der KEV ein Grobkonzept zur Entwicklung der zukünftigen Betriebsorganisation mit einem geeigneten Personalstamm sowie Aspekte der Aus- und Weiterbildung. Wichtig ist der Nagra insbesondere die Absichtserklärung zur expliziten Berücksichtigung menschlicher und organisatorischer Faktoren. In den folgenden Kapiteln werden die beabsichtigten prinzipiellen Merkmale hinsichtlich einer systematischen Personal- und Organisationsentwicklung (Kap. 7.2) unter Einbezug der menschlichen und organisatorischen Faktoren (HOF, Kap. 7.3) exemplarisch skizziert.
Für die Projektabwicklung soll eine Organisation aufgebaut werden, die es erlaubt, die Projekt- und Bewilligungsabläufe so auszuführen, dass für die künftige Anlage relevante Anforderungen nachweislich adressiert und erfüllt werden bzw. eine ganzheitliche Bewertung ermöglicht wird. Der sukzessive Aufbau der Projektorganisation ist dabei flexibel und wird sich entsprechend den jeweiligen Projektphasen mit ihren unterschiedlichen Schwerpunkten anpassen, sodass hieraus letztlich eine geeignete Betriebsorganisation hervorgeht.
Dafür ist vorgesehen, eine angemessene personelle Begleitung der Projektphasen schrittweise mit den notwendigen Fach- und Methodenkompetenzen sowie erforderlichen Ressourcen sicherzustellen, sodass zum Zeitpunkt der Erteilung der Betriebsbewilligung eine adäquate Organisation mit dem vollständigen Personalbestand bei erforderlicher Fach- und Sachkunde zur Inbetriebnahme der Anlage etabliert ist. Dies schliesst sowohl im Vorfeld wie auch beim Betrieb externe Auftragnehmende bzw. Lieferanten mit ein, die ebenfalls entsprechend ihrer Aufgaben eine geeignete, qualitätsgesicherte Organisation mit adäquaten Kompetenzen und Ressourcen bereitzustellen haben. Interne Fachkräfte folgen dabei dem bereits bewährten, zertifizierten Managementsystem (der Nagra), bis die BEVA-Bau- und Betriebsorganisation ihr eigenes Managementsystem implementiert hat. Der sukzessive Aufbau und die Ausgestaltung der zum jeweiligen Projektstand angemessenen Organisation wird auf der Grundlage des schweizerischen Regelwerks unter Berücksichtigung der Erfahrungen in den bestehenden Anlagen – insbesondere dem Zwilag – erfolgen.
Die Umsetzung der Prinzipien einer zeitgemässen Sicherheitskultur innerhalb des gesamten Organisationsgefüges einschliesslich der Führung ist der Nagra von Beginn an ein zentrales Anliegen. So soll die Sicherheitskultur als Summe aller Merkmale und Ausrichtungen einer Organisation und deren Individuen sicherstellen, dass sicherheitsrelevante Themen die entsprechende Aufmerksamkeit und Priorität bereits in der Projektierungsphase erhalten. Dazu zählen u. a. Prinzipien wie eine hinterfragende Haltung, die explizite Berücksichtigung der Schnittstelle Mensch, Maschine und Organisation, eine professionelle Umgangskultur im Team, aber auch der offene und schuldzuweisungsfreie Umgang mit menschlichen, organisationalen und technischen Fehlern. Die Prinzipien sind aufgrund des Erfahrungsrückflusses und des Projektfortschritts während Bau und Betrieb zu vervollständigen.
Die Organisationseinheiten für Projektierung, Bau, Betrieb und Stilllegung sowie deren Aufgaben und Kompetenzen werden sukzessive gebildet und einen abgestimmten Übergang aufweisen. Zu beachten ist der für dieses Projekt relativ lange Zeitraum zwischen Rahmen- und Baubewilligung. Dieser bietet ausreichend Zeit für die Zusammenstellung und den Aufbau einer adäquaten, jeweils zeitgemässen Organisation im Zuge der Projektierungsphase unter Berücksichtigung von Massnahmen zum Wissenserhalt und -transfer. Hinsichtlich letzterem stellt die Zusammenarbeit mit der Zwilag eine wichtige Schnittstelle dar.
Auf Stufe RBG ist eine exakte und vollständige Festlegung der zukünftigen Betriebsorganisation weder sinnvoll noch nötig, da zu diesem Zeitpunkt u. a. noch nicht feststeht, welche konkreten Beschäftigungsprofile aus möglichen Synergien zwischen Zwilag und BEVA überlappend genutzt werden können und sollen. Im RBG werden jedoch allgemeine Angaben bezüglich der Vorgehensweise zur Entwicklung der Organisation skizziert.
Eine Projektorganisation mit geeigneten Kernkompetenzen wird aufgebaut36 und besteht aus Fachgebieten zum nukleartechnischen Engineering, welche der Optimierung des Projekts (Vorstudie) und der Abstimmung mit weiteren Stakeholdern vor Ort (und deren Anforderungen) dient. Dabei stehen neben den Fragen zur Synergie zwischen den Kernanlagen, insbesondere BEVA und Zwilag, die Aspekte zur Sicherheit, Sicherung, Stilllegung, Umweltverträglichkeit und Raumplanung im Vordergrund. Hierbei werden auch HOF (Kap. 7.3) entsprechend berücksichtigt. Die Anforderungen aus ENSI (2023b) werden, soweit für eine BEVA anwendbar, zugrunde gelegt.
Die während der Vorstudie aufgebaute Projektorganisation wird zu einem vollständigen Projektunternehmen erweitert, in dem alle relevanten Disziplinen vertreten sind. Dieses Unternehmen ist für die Ausarbeitung der detaillierten Analysen, Nachweise und den folgenden Gesuchsunterlagen verantwortlich, die für das Baubewilligungsgesuch erforderlich sein werden.
Damit die benötigten Kernkompetenzen innerhalb der Organisation vorhanden sind, wird der Personalbestand des Projektunternehmens gemäss dem spezifischen Bedarf angepasst. Verbunden damit ist auch die rechtzeitige Vorbereitung geeigneter Ausbildungsmassnahmen (über alle Phasen). Die Unterstützung des Projekts durch externe, anerkannte Fachexperten sowie der Einbezug der Branchenerfahrung und -expertise wird dabei fortgeführt. Zu gegebener Zeit wird ein projektspezifisches Qualitätsmanagementprogramm gemäss Art. 25 KEV entwickelt.
Die in der Projektierungsphase aufgebaute Organisation wird gemäss derzeitiger Planung weitgehend beibehalten und um die organisatorischen Einheiten ergänzt, die für die Bauphase benötigt werden. Diese erweiterte Projektorganisation wird bau- und montagerelevante Disziplinen abdecken. Darin eingeschlossen sind insbesondere die Überwachung der Bautätigkeit sowie von Herstellung und Montage der Systeme und Komponenten auf Grundlage der Auslegungsspezifikationen und einzuhaltenden gesetzlichen und behördlichen Vorschriften. Zusätzlich zu dem für die Abwicklung erforderlichen Personalbestand wird externe Unterstützung durch anerkannte Fachexperten beigezogen. Es soll sichergestellt werden, dass die Gesamtorganisation den Herausforderungen und Risiken (auf der Baustelle) gewachsen ist und allfällige Ereignisse und Nonkonformitäten erkennen, analysieren, bewerten und korrigieren kann. Eine tragende Rolle spielt in dieser Phase auch das Qualitätsmanagement (nach Art. 25 KEV), dem dabei die besondere Bedeutung zukommt, in Kooperation mit dem technischen Personal mittels Vorort-Prüfungen aber auch Audits und Reviews für die sorgfältige Umsetzung aller spezifizierten Arbeiten besorgt zu sein. Insbesondere ist das Management der vielfältigen Schnittstellen zwischen den verschiedenen Stakeholdern (Hersteller, Lieferanten, Projekt-/Bauorganisation, Behörden) sicherzustellen.
Neben dem eigentlichen Bau und der Montage der Anlage werden organisatorische Massnahmen auch hinsichtlich der Inbetriebnahme bzw. des späteren Betriebs vorangetrieben, indem der Aufbau der Betriebsorganisation und die Rekrutierung sowie Ausbildung des dafür notwendigen Personals in Angriff genommen werden soll, sodass rechtzeitig eine entsprechend geschulte und mit der Anlage vertraute Betriebsorganisation bereitsteht. In diesem Zusammenhang ist zu prüfen, inwieweit ein gezielter Wissenstransfer im zeitlichen Vorfeld durch die bereits bestehenden Kernanlagen (beispielsweise Zwilag / PSI) zur Vorbereitung und Ausbildung des Personals für den BEVA-Betrieb sowie zur Gewährleistung der Kontinuität in der Sicherheitskultur dienen könnte.
Die Betriebsorganisation entspricht den für eine BEVA relevanten Anforderungen aus Art. 30 KEV, wobei die behördlichen Anforderungen aus ENSI (2023b), soweit anwendbar, berücksichtigt und umgesetzt werden. Da die Bauorganisation ggf. bereits wichtige Fachbereiche, die auch für die Betriebsorganisation essenziell sind, enthält, wird die Betriebsorganisation auf der Bauorganisation aufbauen bzw. aus dieser hervorgehen. Ausgebaut werden müssen die Organisation und das Personal um betriebsspezifische Elemente, wie beispielsweise Qualitäts- und Betriebsvorgabe, Instandhaltung sowie Strahlenschutz und ‑überwachung37.
Die Anforderungen an die Organisation hängen dabei stark von der Auslegung, dem Grad der Automation sowie dem Einsatz von KI sowie der Entwicklung der Technik in diesen Bereichen ab. Aus heutiger Sicht können somit keine belastbaren Aussagen über die Betriebsorganisation gemacht werden. Denkbar ist eine Organisationsform in Anlehnung an die bestehende, bewährte Organisationsstruktur der Zwilag. ↩
Die für die Stilllegung erforderliche Organisation wird während der Betriebsphase vorbereitet und eingerichtet und somit aus der zukünftigen Betriebsorganisation hervorgehen. Ein Grund dafür ist, dass das mit der Anlage und der Anlagenhistorie vertraute und kompetente Personal bei den Rückbauarbeiten (Dekontamination, Demontage und Abbau) und bei der Entsorgung der Komponenten und Strukturen eine bedeutende Rolle einnehmen kann (Nagra 2025a).
Für den sicheren Betrieb der BEVA ist es von Bedeutung, dass Mensch, Organisation und Technik gemeinsam eine Einheit bilden, um die Aufgaben und Funktionen sicherheitsgerichtet erfüllen zu können. Der Betreiber räumt den menschlichen und organisatorischen Faktoren in allen Phasen des Projekts den erforderlichen Stellenwert ein. Dies beinhaltet in der Projektierungsphase die Berücksichtigung der menschlichen und organisatorischen Faktoren in Form eines für die BEVA angemessenen Human and Organisational Factors Engineering (HOF-Engineering)38. Die Nagra nimmt somit von Beginn an eine dem Projekt angemessene, soziotechnische HOF-Sichtweise ein und übernimmt die Verantwortung zur langfristigen Etablierung einer stabilen Sicherheitskultur in ihrer Unternehmung. Eine solche vorausschauende Projektierung hinsichtlich der relevanten Einrichtungen und Arbeitsvorgänge lässt sich in Anlehnung an die bewährte Projekt-/Betriebserfahrung von vergleichbaren Anlagen (z. B. Zwilag) gezielt ableiten.
Eine besondere Aufmerksamkeit wird der Rolle des künftigen Betriebs- und Instandhaltungspersonals zu widmen sein, im Hinblick auf die in Zukunft noch zu wählenden Technologien der Anlage. Die in den 2050er Jahren zur Verfügung stehenden (etablierten) Technologien und die dabei stets fortschreitende IT und Automatisierung (eventuell auch das Potenzial der KI) sind heute weder abschliessend bekannt noch hinsichtlich ihrer Konsequenzen auf die Organisation und das Personal sowie HOF bewertbar. Es muss davon ausgegangen werden, dass dies einen bedeutenden und neuen Einfluss auf das Arbeitsverhalten und auf HOF des künftigen Personals für Betrieb und Instandhaltung ausübt.
Der Begriff Human and Organisational Factors (HOF) steht mit menschlichen und organisatorischen Aspekten im Zusammenhang und bezieht sich auf alle Gesichtspunkte von Arbeitssituationen, auf die eingewirkt werden kann, um die Schnittstellen zwischen Mensch und den zu erstellenden Systemen bzw. Maschinen optimal zu gestalten. Als Beispiel sei (i) die Arbeitsplatzgestaltung, d. h. die Schaffung eines ergonomischen Arbeitsumfelds, das die Effizienz und Sicherheit von Betrieb, Prüfung, Tests sowie Instandhaltung fördert, sowie (ii) ein Feedback-System, d. h. die Einführung von Feedback-Mechanismen, die es den Mitarbeitenden ermöglicht, ihre Erfahrungen und Beobachtungen zu teilen, um Verbesserungen und Optimierungen vorzunehmen, genannt. ↩
Innerhalb des RBG geht es der Nagra primär darum aufzuzeigen, dass der Bau und sichere Betrieb einer BEVA mit einer entsprechenden Organisation und dem erforderlichen Personalstamm realisiert werden kann. Der Aufbau einer adäquaten Projektierungsorganisation stellt dabei einen ersten Schritt dar, an dem die späteren Bau- und Betriebsorganisationen anknüpfen und aufbauen können. Die für eine BEVA erforderlichen Organisationstruktur und -einheiten, deren Zusammenarbeit und eine über alle Ebenen gelebte Sicherheitskultur sind bereits heute in vergleichbaren Anlagen seit Jahrzehnten etabliert und können in Anlehnung an diese auch für eine BEVA umgesetzt werden. HOF-Aspekte werden dabei frühzeitig im Projekt adressiert und adäquat berücksichtigt. Das Ziel ist dabei die frühzeitige Sicherstellung der Qualität sowie der Optimierung und Fehlervermeidung bei der Durchführung der multidisziplinären Projektarbeiten.