Für die Erteilung der Rahmenbewilligung ist plausibel nachzuweisen, dass der Schutz von Mensch und Umwelt gewährleistet werden kann (Art. 13 KEG). Dieses Schutzziel wird in ENSI (2023a) für die Nachverschlussphase mit quantitativen Schutzkriterien in Form von maximalen Dosis- und Risikogrenzwerten präzisiert, deren Einhaltung für die Nachverschlussphase mit einem Sicherheitsnachweis nachgewiesen werden muss.
Ein absoluter Einschluss aller radioaktiven Stoffe in der Nachverschlussphase des gTL ist über sehr lange Zeiträume nicht möglich, aber auch nicht nötig. Das gTL darf eine sehr geringe zusätzliche Strahlenexposition von Einzelpersonen der Bevölkerung zur Folge haben40. Das Mehrfachbarrierensystem muss so ausgelegt sein, dass die Dosis aufgrund der Freisetzung von Radionukliden durch die technischen und geologischen Barrieren so gering bleibt, dass der Schutz von Mensch und Umwelt gewährleistet ist und die strengen quantitativen Schutzkriterien des ENSI eingehalten sind.
Der Sicherheitsnachweis für die Nachverschlussphase ist mit einer Gesamtbewertung der Langzeitsicherheit anhand umfassender Sicherheitsanalysen und qualitativen Sicherheitsbetrachtungen erbracht und in Nagra (2024v) beschrieben. Die maximal resultierenden radiologischen Auswirkungen der Sicherheitsanalysen sind mit den oben genannten Schutzkriterien abgeglichen und bewertet. Der Sicherheitsnachweis für die Nachverschlussphase (Nagra 2024v) ist in englischer Sprache verfasst, da er auch von einer internationalen Expertengruppe der Nuclear Energy Agency (NEA) begutachtet wird. In diesem Kapitel des vorliegenden Berichts werden das Vorgehen und die Ergebnisse der Nachweisführung in deutscher Sprache zusammengefasst.
Die Vorgaben von ENSI (2023a) und ENSI (2018a) verlangen, dass bei Ungewissheiten in der Sicherheitsanalyse die maximalen radiologischen Konsequenzen durch Berechnung konservativer Szenarien oder durch die Annahme umhüllender Varianten abgeschätzt werden müssen. Dies stellt sicher, dass die Sicherheitsanalyse stets konservativ ist und die tatsächliche Wirkung des Mehrfachbarrierensystems in der Realität voraussichtlich besser sein wird als das modellierte Verhalten. Dadurch werden die radiologischen Auswirkungen für Mensch und Umwelt mit hoher Wahrscheinlichkeit überschätzt (Rahn et al. 2024). Beispielsweise ist der HAA-Endlagerbehälter in der Sicherheitsbetrachtung in einer vollständig wassergesättigten Verfüllung der Lagerstollen abgebildet (Kap. 4.2.1.4 in Nagra 2024g), um die Effekte der Korrosion zu maximieren.
Die aktuelle durchschnittliche Strahlendosis der Schweizer Bevölkerung beträgt etwa 6 mSv pro Jahr (BAG 2021). Die vom ENSI festgelegte maximal zulässige Strahlendosis pro Person von 0.1 mSv pro Jahr, die durch radioaktive Stoffe aus dem gTL verursacht werden darf, ist im Vergleich dazu ein sehr kleiner Wert. Zur Veranschaulichung: Ein Flug von Frankfurt nach New York und zurück führt zu einer Strahlenbelastung von 0.1 mSv (Quelle: https://www.bfs.de/DE/themen/ion/umwelt/luft-boden/flug/flug_node.html). ↩