Das Kernenergiegesetz (KEG) schreibt die Entsorgung aller radioaktiven Abfälle der Schweiz in geologischen Tiefenlagern vor (KEG 2003). Die Realisierung erfolgt in einem mehrstufigen Bewilligungsverfahren, beginnend mit der Rahmenbewilligung (Art. 12 KEG 2003). Mit ihr werden Standort, Zweck der Anlage und Grundzüge des Projekts festgelegt. Weitergehende Festlegungen erfolgen stufengerecht in späteren Bewilligungsschritten. Das Auswahlverfahren für die Bezeichnung von Lagerstandorten erfolgt vorgängig zum Rahmenbewilligungsverfahren gemäss dem vom Bundesrat verabschiedeten Sachplan geologische Tiefenlager SGT (BFE 2011). In der laufenden Etappe 3 hat die Nagra die drei Standortgebiete Jura Ost, Nördlich Lägern und Zürich Nordost vertieft untersucht und bereitet ein Rahmenbewilligungsgesuch (RBG) für ein Kombilager in Nördlich Lägern mit den Oberflächenanlagen am Standort Haberstal vor. Die Verpackung der Abfälle in Endlagerbehälter soll am Standort Zwilag erfolgen.
Die vorgeschriebenen Unterlagen für ein RBG umfassen Berichte zur Sicherheit und Sicherung, zur Umweltverträglichkeit, zur Abstimmung mit der Raumplanung, zur Überwachung und Beobachtungsphase, zum Verschluss des Tiefenlagers, zur Stilllegung der Oberflächenanlage sowie zur Begründung der Standortwahl (Art. 23 & 62 KEV 2004). Weiter ist das RBG gemäss den Vorgaben des Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorats (ENSI) für Etappe 3 (ENSI 2018) zu begründen. Die Gesuchsunterlagen zum RBG stützen sich auch auf Referenzberichte, die teilweise vor Einreichung des RBG veröffentlicht werden.
Der vorliegende Bericht stellt solch einen frühzeitig veröffentlichten Referenzbericht dar und beschreibt das Konzept zur Rückholung für ein Kombilager. Das Konzept gilt für alle standortspezifischen Lagerprojekte, die gemäss ENSI 2018 dem Standortvergleich und den Sicherheitsnachweisen zugrunde liegen.
Das KEG (Art. 37 Abs.1 Bst. b KEG 2003) sieht vor, dass für ein geologisches Tiefenlager (gTL) eine Betriebsbewilligung erteilt werden kann, wenn […] die Rückholung der radioaktiven Abfälle bis zu einem allfälligen Verschluss ohne grossen Aufwand möglich ist.
Der vorliegende Bericht beschreibt ein Rückholungskonzept für die Abfälle im geologischen Tiefenlager (gTL) im Opalinuston und zeigt, wie diese Bedingung bis zum Verschluss erfüllt werden kann.
Inhalt und Aufbau des Rückholungskonzepts richten sich nach der ENSI-Richtlinie G03 für geologische Tiefenlager (Kap 7.4.2 Bst. a ENSI 2020b). Diese gibt vor, dass mit dem RBG ein Konzept zur allfälligen Rückholung der radioaktiven Abfälle einzureichen ist. Das […] Konzept für eine allfällige Rückholung der radioaktiven Abfälle ohne grossen Aufwand beschreibt die Art und Weise des Vorgehens in den Grundzügen (Zu Kap. 7.4.2 Bst. a ENSI 2020a). Mit dem vorliegenden Konzept soll dabei gezeigt werden, welche planerischen, logistischen, baulichen und überwachungstechnischen Schritte notwendig sind, um eine allfällige Rückholung bis zum Verschluss durchführen zu können (vgl. Kap. 7.4.2 Bst. a ENSI 2020b).
Schwerpunkt der Konzeptentwicklung ist die Entnahme der Abfallbehälter aus den verfüllten Lagerkammern mit heute zur Verfügung stehender Technik. Der dafür notwendige Rückbau der Verschlussbauwerke bis zu den Lagerkammern wird ebenfalls beschrieben. Das Verladen der Abfälle in Transportbehälter und der Transport an die Oberfläche ist vergleichbar mit den Vorgängen bei der Einlagerung und wird daher nur grob beschrieben.
Die Nacharbeiten nach erfolgter Rückholung zur Überführung des Tiefenlagers in einen mit den Behörden zu definierenden Zustand wird im vorliegenden Bericht nicht behandelt.
Der Rücktransport von Abfallbehältern an die Oberfläche während des Einlagerungsbetriebs stellt keine Rückholung dar und wird daher im Rahmen der Betriebs- und Störfallkonzepte betrachtet.
Im Kapitel 2 werden die relevanten gesetzlichen und regulatorischen Grundlagen der Rückholung erläutert. Zudem erfolgt eine Beschreibung der Tiefenlagerung mit der Möglichkeit der Rückholung und erklärt die überwachungstechnischen Schritte im Rahmen der Beobachtung während der Einlagerung und der Verschlussphasen. Abschliessend werden die groben planerischen Schritte für eine Rückholung bis zum Verschluss des Gesamtlagers erläutert.
Im Kapitel 3 wird das Lagerkonzept des geologischen Tiefenlagers beschrieben. Damit die Langzeitsicherheit nachgewiesen werden kann, muss das Lagerkonzept so aufgebaut sein, dass die zukünftige Entwicklung des Lagers den Erwartungen entsprechend prognostiziert werden kann. Die dafür nötige systematische und geordnete Einlagerung führt dazu, dass für die Rückholung Lage, Ort und Zustand der radioaktiven Abfälle und ihrer Umgebung im Betrachtungszeitraum gut bekannt sind. Im Kapitel werden daher die Architektur des Kombilagers, die Endlagerbehälter (ELB) für hoch- sowie schwach- und mittelaktive Abfälle (HAA und SMA), die Verfüllung der Lagerkammer und die Verschlussbauwerke beschrieben. In Anlage B wird zudem der zeitliche Ablauf von Bau, Einlagerung, Überwachung (Beobachtung) und Verschluss des Lagers gezeigt.
Kapitel 4 definiert den betrachteten Zeitpunkt für das vorliegende Rückholungskonzept, nennt relevante Randbedingungen des Strahlenschutzes (HAA und SMA) und erörtert Annahmen zu relevanten Zustandsgrössen der Endlagerbehälter, der Verschlussbauwerke (Versiegelungen und Verfüllungen), der Verfüllungen der Lagerkammern und der Tragwerke der untertägigen Bauten zum Zeitpunkt der Rückholung.
Im Hauptteil des Berichts werden im Kapitel 5 die vorbereitenden Arbeiten und die Konzepte für die Durchführung Rückholung der Endlagerbehälter aus den verfüllten Lagerkammern im Lagerkonzept (Kapitel 3) aufgezeigt.
Der Bericht schliesst mit einem Fazit und einem Ausblick (Kapitel 6) ab. Im Ausblick wird erläutert, wie das Rückholungskonzept über die Realisierungsschritte bis zum Verschluss des Gesamtlagers weiterentwickelt wird.