Die Charakterisierung des Standorts in Bezug auf die Gefährdung von Erdbeben für die Betriebsphase des gTL ist detailliert in Nagra (2024j) gemäss den gesetzlichen und behördlichen Vorgaben dokumentiert. Im Folgenden werden die Ergebnisse zusammenfassend wiedergegeben und bezüglich der Standorteignung bewertet. Die Erdbebengefährdung wird dabei in drei Komponenten gegliedert, die separat betrachtet und bewertet werden:

  • Verschiebungsgefährdung, für den Fall eines Bruches durch Teile der Anlage,

  • Gefährdung durch die Bodenbewegung infolge der Erdbebenwellen,

  • Gefährdung durch geologisch-induzierte Prozesse, die durch Erdbeben hervorgerufen werden können.

Die instrumentelle, wie historisch belegte Aufzeichnung von Erdbeben in der Schweiz ergeben ein umfassendes Bild der seismischen Aktivität. Demnach ist die Aktivität auf die Zentralschweiz und das Wallis sowie den Oberrheingraben bei Basel konzentriert. Der Standort befindet sich in der seismisch ruhigsten Region der Schweiz (Fig. 3‑11).

Verschiebungsgefährdung

Die Basis für die Beurteilung der Verschiebungsgefährdung am Standort ist die Auswertung der 3D-Seismik (Nagra 2024a). Die Auswertung zeigt keine Störungen, die zu einem Bruch an der Oberfläche im Bereich des Anlagenperimeters oder durch die UTA führen könnten. Des Weiteren lassen sich aus Untersuchungen der Geomorphologie keine Anzeichen von diskreten Versätzen des Weiach-Glattfelden-Eglisau Lineament (vgl. Fig. 4‑3) in der jüngsten geologischen Vergangenheit im Umkreis des Standorts nachweisen (Nagra 2024n). Somit besteht am Standort für die Betriebsphase keine Gefährdung durch einen Bruch an der Oberfläche oder durch Teile der UTA. Die in den Lagerkammern eingelagerten Endlagerbehälter sind zudem bereits während der Betriebsphase durch die zeitnahe Verfüllung und den Verschluss der Lagerkammern ausreichend passiv vor Störfalleinwirkungen geschützt.

Gefährdung durch Bodenbewegung

Die Bestimmung der Erdbebengefährdung durch Bodenbewegungen erfolgt nach dem Modell ENSI-2015 (Roth et al. 2015). Grundlage des ENSI-2015 Modells sind umfassende probabi­listische seismische Gefährdungsabschätzungen für die Standorte der Kernkraftwerke in der Schweiz. Für den Standort werden die Resultate des ENSI-2015 Modells für die Quellen und Ausbreitungspfade verwendet. Für die lokale Verstärkung wurden Geschwindigkeitsprofile entwickelt, welche die Gegebenheiten bezüglich der oberflächennahen Schichten am Standort abdecken. Die Erdbebengefährdung durch Bodenerschütterungen wird durch ein Spektrum der Bodenbeschleunigung, die am Standort mit einer Überschrei­tungshäufigkeit von 10–3 und 10–4 pro Jahr zu charakterisieren ist, spezifiziert. Die Resultate für den Anlagenperimeter sind vergleichbar mit denen anderer Kernanlagen in der Schweiz. Ferner stellt die lokale Situation des flachen Untergrunds keine ungewöhnliche Begebenheit in Bezug auf die seismische Gefährdung dar. Die Gefährdung durch Bodenerschütterungen ist in der UTA geringer als an der Oberfläche, da u. a. die lokale Verstärkung durch weiche Lockersedimente entfällt. Aus den resultierenden Gefährdungsannahmen ergeben sich somit keine besonderen Herausforderungen für eine erdbebensichere Auslegung der Anlagen. In Bezug auf die seismische Gefährdung ist die Standorteignung daher nachgewiesen.

Darstellung des Schweizer Erdbebenkatalogs (Fäh et al. 2011) inkl. einer Aktuali­sie­rung bis einschliesslich 30.09.2023 zusammen mit der modellierten Auftretens­wahrscheinlichkeit von Erdbeben mit Magnituden MW ≥ 6 in der Schweiz, basierend auf Einschätzungen von vier Expertengruppen im Rahmen des PRP-Projekts (swissnuclear 2013-15)  In Farbe gezeigt ist die jährliche Auftretenswahrscheinlichkeit eines Erdbebens mit MW ≥ 6 in einem Gebiet von 0.05° Länge × 0.05° Breite (entspricht ca. 21 km2) für Herdtiefen < 15 km. Zum Vergleich sind die effektiv erfassten Erdbeben mit M ≥ 2 bzw. historisch dokumentierte Erdbeben mit M ≥ 4 dargestellt.

Fig. 3‑11:Darstellung des Schweizer Erdbebenkatalogs (Fäh et al. 2011) inkl. einer Aktuali­sie­rung bis einschliesslich 30.09.2023 zusammen mit der modellierten Auftretens­wahrscheinlichkeit von Erdbeben mit Magnituden MW ≥ 6 in der Schweiz, basierend auf Einschätzungen von vier Expertengruppen im Rahmen des PRP-Projekts (swissnuclear 2013-15)

In Farbe gezeigt ist die jährliche Auftretenswahrscheinlichkeit eines Erdbebens mit MW ≥ 6 in einem Gebiet von 0.05° Länge × 0.05° Breite (entspricht ca. 21 km2) für Herdtiefen < 15 km. Zum Vergleich sind die effektiv erfassten Erdbeben mit M ≥ 2 bzw. historisch dokumentierte Erdbeben mit M ≥ 4 dargestellt.

Gefährdung durch geologisch-induzierte Prozesse

Die Bewertung der geologisch-induzierten Auswirkungen von Erdbeben auf das geologische Umfeld des Anlagenperimeters erfolgt anhand von bestehenden Baugrundinformationen (vgl. Kap. 3.3.5):

  • Die Fundation der OFA erfolgt auf den tieferen, wenig setzungsanfälligen Schichten. Daher sind auch keine wesentlichen Setzungen im Zusammenhang mit Erdbeben zu erwarten.

  • Bzgl. der Gefahr von gravitativen Massenbewegungen für den Anlagenperimeter in Zusam­menhang mit Erdbeben gilt die Bewertung aus Kap. 3.3.2, die zeigt, dass flachgründige, kleinräumige Rutschungen oder Hangmuren nicht vollständig ausgeschlossen werden können, diese aber mit einfachen baulichen und organisatorischen Massnahmen beherrscht werden.

  • Ein Potenzial für Bodenverflüssigung besteht nur in Lockersedimenten, die unterhalb des Grundwasserspiegels liegen und aus sauberen Sanden oder Silten mit schlechter Sortierung, geringer Lagerungsdichte und hoher Empfindlichkeit gegenüber einer Änderung des Wassergehalts bestehen. Im Anlagenperimeter treten nur Lockersedimente unterhalb des Grundwasserspiegels auf, die keine Tendenz zu Bodenverflüssigung aufweisen. Somit sind für den Anlagenperimeter keine relevanten geologisch-induzierten Ge­fährdungen, die mit Erdbeben in Zusammenhang stehen könnten, bekannt.

Gesamtbeurteilung

Die standortspezifische Erdbebengefährdungsanalyse für die Betriebsphase des gTL zeigt, dass der Standort für den Bau und Betrieb des gTL geeignet ist und der Standort gesamthaft keine Besonderheiten aufweist. Eine Verschiebungsgefährdung kann für die Betriebsphase ausge­schlossen werden. Aus dem geologischen Umfeld ergeben sich keine weiteren Gefährdungen für den Standort im Zusammenhang mit Erdbeben.