Ausgehend von den Angaben in Kap. 3.3.1 zur Verkehrsinfrastruktur und den Betrieben in der Umgebung werden in diesem Kapitel die Einwirkungen bei Störfällen in der Nachbarschaft abgeleitet.

Transportunfälle auf Verkehrswegen

In Nagra (2024i) ist eine systematische Bewertung denkbarer Transportunfälle auf Verkehrs­wegen in der Umgebung des Standorts dokumentiert.

Sowohl auf der Bahnstrecke Koblenz – Eglisau als auch auf der nahezu parallel dazu verlaufenden Hauptstrasse Nr. 7 (vgl. Fig. 3‑6) können Flüssigpropan-, Benzin- und Flüssigchlortransporte als einzig in Frage kommende Gefahrguttransporttypen durchgeführt werden. Diese Stoffgruppen stellen für die Gefahrenanalyse die relevanten Leitstoffe dar. Transporte von in Endlagerbehältern verpackten radioaktiven Abfällen aus der Brennelementverpackungsanlage oder den Zwischen­lagern zum gTL stellen keine Gefahr dar, da diese Transporte sowie die verwendeten Behälter bewilligt bzw. zertifiziert sind und strengen Sicherheitsanforderungen unterliegen.

Die Nebenstrassen westlich und östlich des Standorts werden aufgrund ihrer Lage und Ausrich­tung nicht durch Schwerverkehr oder durch grosse Gefahrguttransporte befahren. Sie stellen keine Haupt- oder Durchgangsverkehrsrouten dar und werden im Wesentlichen zur Verbindung verschiedener Gemeinden genutzt. Die kleinste Distanz der im Osten gelegenen Verbindungs­strasse (Nr. 348) hat eine Entfernung von ca. 750 m. Schwerlast- und Gefahrgut­transporte werden vorrangig auf der vom Standort ca. 5 km entfernten Autobahn A51 durchgeführt. Die im Westen gelegene Verbindungsstrasse (Nr. 566) hat als enge Nebenstrasse eine kleinste Luftliniendistanz von 1.1 km und eignet sich mit engen kurvigen Dorfdurchfahrten ebenfalls nicht zum Schwerlast- resp. Gefahrguttransport. Auf diesen Strecken werden somit keine Propan- oder andere explosible oder gefährliche Gütertransporte (von bedeutender Menge) durchgeführt.

Die Resultate der Analysen und Bewertungen zeigen, dass eine Gefährdung des Standorts durch Brand, Explosion oder luftgetragene Toxizität eines mit feuergefährlichen oder toxischen Gütern beladenen Lastkraftwagens oder Bahnwaggons ausgeschlossen werden kann. Der Standort ist geeignet. Dies ist in den natürlichen Schutzeigenschaften begründet, charakterisiert einerseits durch einen grossen Abstand sowie andererseits durch die natürlichen topologischen Barrieren zwischen den Gefahrguttransportrouten und dem Standort.

Unfälle im Luftverkehr (unfallbedingter Flugzeugabsturz)

Zur Charakterisierung des Standorts in Bezug auf das Potenzial der Gefährdung durch einen unfallbedingten Flugzeugabsturz werden in Nagra (Nagra 2024e) die jährlichen Absturz­häufig­keiten von Flugzeugen jeweils für die zu untersuchenden Flugzeug- sowie Gewichtskategorien gemäss den Vorgaben in ENSI-A05 (ENSI 2018b) ermittelt. Die Bestimmung der Absturz­häufigkeiten erfolgt für die folgenden drei Flugzeugkategorien:

  • Verkehrsflugzeuge

  • Strahlgetriebene Kampfflugzeuge

  • Leichtflugzeuge und Hubschrauber

Zur Ermittlung der jährlichen unfallbedingten Absturzhäufigkeiten von Verkehrsflugzeugen werden die jährlichen Flugbewegungen der in der Nähe des Standorts befindlichen Flughäfen (d. h. Starts und Landungen) sowie die jährlichen Transitflugbewegungen in einem definierten Umkreis um den Standort zu Grunde gelegt. Die Anzahl jährlicher Flugbewegungen wird grundsätzlich unter Berücksichtigung der Schwankungen in der Vergangenheit sowie der erwarteten zukünftigen Schwankungen ermittelt. Für die Bestimmung der Flugbewegungen in Flughafennähe werden alle Flughäfen innerhalb eines Radius von 50 km um den Anlagenstandort berücksichtigt (vgl. Fig. 3‑7). Hinsichtlich der jährlichen Transitflugbewegungen sind alle Luftkorridore in einem Radius von 100 km um den Standort zu betrachten. Darüber hinaus werden weitere Randbedingungen wie bspw. die mittlere Flughöhe in Flughafennähe bei Starts und Landungen sowie bei Transitflügen über dem zu betrachtenden Standort ermittelt. Die jährliche Absturzhäufigkeit von Kampfflugzeugen sowie Leichtflugzeugen und Hubschraubern wird direkt aus der Absturzstatistik dieser Flugzeugkategorien für das Gebiet der Schweiz berechnet.

In der Tab. 3‑4 sind die in Nagra (2024e) ermittelten jährlichen Absturzhäufigkeiten für die verschiedenen Flugzeugkategorien bezogen auf eine normierte Trefferfläche zusammengestellt. Für eine für Verkehrsflugzeuge nach den Flugphasen Start/Landung und Transitflug einzeln aufgeschlüsselte Betrachtung der Absturzhäufigkeiten wird auf Nagra (2024e) verwiesen.

Tab. 3‑4:Zusammenstellung der jährlichen unfallbedingten Absturzhäufigkeiten der verschie­denen Flugzeugkategorien, bezogen auf eine normierte Trefferfläche

Flugzeugkategorie

Absturzhäufigkeit [a-1m-2]

Verteilung [%]

Verkehrsflugzeuge

davon

3.99E-11

25.9

> 300 t

1.44E-12

0.9

> 100 t bis ≤ 300 t

3.69E-13

2.4

> 50 t bis ≤ 100 t

3.00E-11

19.5

≤ 50 t

4.73E-12

3.1

Kampfflugzeuge

4.21E-12

2.7

Leichtflugzeuge & Hubschrauber

1.10E-10

71.4

Summe

1.54E-10

100

Mit der beschriebenen Vorgehensweise ergibt sich gemäss den ENSI-Berechnungsvorschriften für eine normierte virtuelle Trefferfläche eine unfallbedingte Absturzhäufigkeit über alle Flug­zeug­kategorien von 1.54E-10 a-1m-2. Die Bestimmung der jährlichen Absturzhäufigkeiten in Bezug auf die virtuelle Trefferfläche der geplanten OFA wird in den späteren Bewilligungs­schritten durchgeführt, da im Zuge der Rahmenbewilligung weder die genaue Anordnung noch die konkreten Abmessungen der Bauwerke festgelegt werden (vgl. Kap. 2.3.1 und 2.3.2).

Auch wenn sich in ca. 2 km Entfernung des Standorts vor über 30 Jahren ein Flugzeugabsturz27 ereignete, so zeigen die Ergebnisse der Analyse basierend auf den Anforderungen der ENSI-A05 insgesamt, dass das Gefährdungspotenzial für einen unfallbedingten Flugzeugabsturz für den Standort grundsätzlich als gering eingestuft wird. Darüber hinaus sind die ermittelten jährlichen Absturzhäufigkeiten von Flugzeugen am Standort vergleichbar mit denen an anderen Standorten von Kernanlagen in der Schweiz und bestätigen somit die Eignung des Standorts.

Im Hinblick auf den zukünftigen Flugverkehr aller drei Flugzeugkategorien ist zu erwarten, dass die resultierenden Ergebnisse aus der Analyse auch für die Zukunft repräsentativ sind. So ist mit einem relevanten Anstieg der Anzahl der Flugbewegungen am Flughafen Zürich derzeit nicht zu rechnen. Gleichzeitig hat die Sicherheit in der Luftfahrt stetig zugenommen und sich seit Jahren positiv entwickelt. Auch ein Kapazitätsaufbau ist aufgrund der bereits hohen Auslastung des Flugverkehrs am Flughafen Zürich nicht geplant, so dass auch in Zukunft vergleichbare Absturz­häufigkeiten auf einem konstant niedrigen Niveau zu erwarten sind.

Störfälle bei anderen Betrieben

Wie in Kap. 3.3.1 und Nagra (2024i) beschrieben, gibt es keine Betriebe in der Umgebung des Standorts, die eine Gefährdung oder ein Risiko darstellen, weshalb der Standort geeignet ist.

Militäranlagen

Nach Auskunft des eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) geht von militärischen Anlagen und Objekten sowie allfälligen militärischen Aktivitäten in der Umgebung des Standorts (bspw. Transporte) kein Gefährdungspotenzial aus, das die Eignung des Standorts in Frage stellen würde.

Störfälle bei Rohrleitungen

Untersuchungen bzgl. Unfällen bei unterirdisch verlegten Gasleitungen zeigen, dass fast 100 % der Unfälle aufgrund Beschädigungen durch Bauarbeiten zurückzuführen sind. Ein Totalversagen der in Kap. 3.3.1 beschrieben Gasleitung ist aufgrund des nicht bebaubaren Agrarlandes, des z. T. bis zu 3 m unter der Erdoberfläche geführten Leitungsverlaufs und durch die an der Oberfläche markierte Erdgasleitungsschneise nicht zu unterstellen. Tiefergehende Erdumwälzungsarbeiten (mit Schädigungspotential der Leitung) im Bereich der markierten Erdgasleitungsschneise sind zudem bewilligungspflichtig.

Trotz der geringen Wahrscheinlichkeit eines Gasleitungsunfalls wird in Nagra (2024i) konserva­tiver­weise der massgebende Störfall mit vollständiger Gasleitungszerstörung unterstellt und dabei die sich daraus ergebenden Gefährdung für den Standort am konservativsten Punkt minimaler Distanz durch Explosion und Wärmestrahlung bewertet. Die Analysen stützen sich dabei auf die Grundlagen bzw. Rechenvorschriften der schweizerischen Erdgaswirtschaft ab. Aufgrund des generischen Charakters der Analysen (bspw. keine Berücksichtigung der Abschattung infolge standortspezifischer, topographischer Gegebenheiten oder vorgelagerter Hindernisse) sind die Ergebnisse als konservativ zu bewerten.

Die Ergebnisse zeigen, dass sich aus einem unterstellten Totalversagen, d. h. einer vollständigen doppelseitigen Trennung der Gasleitung am konservativsten Punkt minimaler Distanz zum Standort mit nachfolgend grösstmöglicher Störfallausprägung durch Feuerball, Gaswolken­explosion und Fackelbrand keine nachteiligen Auswirkungen am Standort in Form unzulässig hoher Wärmestromdichten, Wärmestromdosen oder Überdruckimpulsen ergeben. Alle zu den Unfallabläufen ermittelten Druckspitzen und Wärmestromdichten liegen weit unterhalb kritischer Werte, die keinen nachteiligen Einfluss auf den sicheren Betrieb der Anlage haben. Da der Standort zudem topographisch ca. 30 m tiefer liegt und zudem zum Teil ein hügeliges Waldgebiet mit bis zu 30 m hohem Mischwald vorgelagert ist, dürften sowohl bei einem Feuerball als auch beim Fackelbrand zusätzliche Abschirmeffekte wirksam werden. Somit wäre bei solch einem Ereignis von jeweils noch niedrigeren Wärmestromdichten bzw. Wärmedosen und Überdrücken auszugehen, als es die unter den Bedingungen ebenen und freien Geländes für diese Analyse durchgeführten Modellrechnungen ausweisen.

Aus Störfällen im Zusammenhang mit Rohrleitungen (Gasleitungen) ergeben sich für den Bau und Betrieb des gTL keine Gefährdungen. Der Standort ist geeignet.

Waldbrandgefährdung

Die Nähe zum Waldrand ist keine ungewöhnliche Randbedingung für Kernanlagen. Eine syste­ma­tische Einordnung und Bewertung der Waldbrandgefährdung erfolgt in Nagra (2024i), deren Ergebnisse nachfolgend zusammengefasst werden.

Die Waldbrandgefährdung im angrenzenden Wald ist historisch gesehen äusserst gering; seit mindestes den 1950er Jahren ist kein Brand aufgetreten. Zudem werden durch die Einhaltung eines ausreichend breiten brandlastfreien (auf dem Anlagenperimeter) und brandlastbegrenzten Streifens (Freihaltestreifen, vgl. Fig. 2‑6) zwischen den Bauten der OFA und dem angrenzenden Wald die potenziellen Auswirkungen der Hitzestrahlung eines Waldbrands auf die Betonteile und andere wichtige Anlageteile reduziert und auch ein Übergreifen des Brands auf den Anlagenperimeter wird verhindert. Die nukleare Sicherheit wird durch die grosse thermische Robustheit der Endlagerbehälter garantiert. Die zahlreichen Feuerwehren der Umgebungsgemeinden sind ausserdem für die rasche Bekämpfung solcher anlagenahen Waldbrände entsprechend ausgebildet und ausgerüstet.

Ein Waldbrand im angrenzenden Wald stellt keine Gefährdung für die nukleare Sicherheit dar. Der Standort ist geeignet.

Gefährdungspotential infolge gravitativer Gefahren

In Nagra (2024q) werden basierend auf den geologischen und hydro­geo­logischen Bedingungen am Standort die gravitativen Gefahren qualitativ beschrieben und bewer­tet. Nach­folgend werden die Ergebnisse wiedergegeben.

In der nahen Umgebung des Anlagenperimeters sind keine Felshänge/-böschungen vorhanden. Daher können Gefahren durch Steinschlag, Fels- oder gar Bergsturz im Anlagenperimeter aus­ge­schlossen werden.

In der nahen Umgebung des Anlagenperimeters steht zum Teil schlecht zementierter Molassefels an. Aktuell ist das umliegende Gelände bewaldet. Permanente und mittel- resp. tiefgründige Rutschungen können aufgrund der Geländemorphologie, der Lagerungsverhältnisse sowie der Mate­rialzusammensetzung ausgeschlossen werden. Das Auftreten von flachgründigen, klein­räumigen, spontanen Rutschungen oder kleinräumigen Hangmuren kann nicht vollständig ausge­schlossen werden, insbesondere im Zusammenhang mit extremen Niederschlags­ereignissen. Diese Gefahren können jedoch mit einfachen baulichen und organisatorischen Massnahmen beherrscht werden.

Weitere gravitative Naturgefahren (Lawinen, Blitzfluten) werden aufgrund der Topographie und des geringen Gefälles in der Umgebung des Projektperimeters, des Bewuchses und der Nieder­schlagsmengen ebenfalls als nicht relevant beurteilt.

Die Bewertung der gravitativen Gefahren bestätigt die Eignung des Standorts.

Absturz einer DC-9 am 14. November 1990 auf den Haggenberg, einem nördlichen Ausläufer des Stadlerbergs. ↩