Ausgangslage

Seit dem 1. Januar 2019 gelten im Aargau flächendeckend, rechtsverbindliche, statische Wald­grenzen. Die Abteilung Wald des Departements Bau, Verkehr und Umwelt (BVU) legt dazu das Waldareal fest und erlässt den Waldgrenzenplan (§ 1a ff AWaV). Gemäss Auskunft der zustän­digen Abteilung entsprechen die rechtskräftigen Waldgrenzen dem Waldareal.

Das Arbeitsplatzgebiet PSI/Zwilag grenzt im Osten an ein grosses, zusammenhängendes Wald­areal (Unterwald, vgl. Fig. 6‑8 resp. an die Waldgrenzen (Kanton Aargau 2019)). Innerhalb dieses Areals liegt ein Naturschutzgebiet von kantonaler Bedeutung im Wald (NkBW).

	Übersicht Waldareal  (AGIS 2024)

Fig. 6‑8:Übersicht Waldareal

(AGIS 2024)

Voraussichtliche Beanspruchung

Die BEVA lässt sich, wie in Kap. 4.3 begründet, nicht vollständig innerhalb der bestehenden Bau­zone realisieren. Der Anlagenperimeter sowie der Eingliederungssaum überlagern partiell das Waldareal.

Gemäss aktuellem Projektstand wird das Areal ungefähr 25 Jahre für Bau und Betrieb der BEVA benötigt (vgl. Kap. 3.4). Anschliessend wird die Anlage stillgelegt und die Anlage aus der Kernenergiegesetzgebung entlassen. Ob das BEVA-Gebäude danach umgenutzt oder die Anlage zurückgebaut wird, wird mit dem Stilllegungsgesuch festgelegt. Gestützt auf den aktuellen Projektstand und aufgrund der Platzverhältnisse steht fest, dass folgende Eingriffe und Be­ein­trächtigungen des Waldes zu erwarten sind (vgl. Kap 5.14 in Nagra 2025e):

  • Dauerhafte Rodung: Durch die Bauten und Anlagen innerhalb des Anlagenperimeters werden dauerhafte Rodungen im Umfang von max. 0.86 ha erwartet.

  • Freihaltung (sicherheits- und sicherungsbedingte Rodung): Für die Sicherheit und Sicherung der der BEVA ist im Eingliederungssaum ein maximal 20 m breiter, voraussichtlich gehölzfreier «Freihaltestreifen» angrenzend an den Anlagenperimeter notwendig. Im waldrechtlichen Sinne handelt es sich bei einem solchen Freihaltestreifen um eine definitive Rodung gemäss Art. 5 WaG. Eine Kernanlage ist gemäss den Vorgaben des ENSI an den Brandschutz so auszulegen, dass die Entstehung von Bränden vorgebeugt und die Ausbreitung eines Brands reduziert wird (Ensi 2024).  Mit einem gehölzfreien, brandlastbegrenzten Freihaltestreifen angrenzend an die Kernanlage können die potenziellen Auswirkungen eines Waldbrands auf die Anlageteile reduziert werden und somit ein Übergreifen eines Waldbrands auf den Anlagenperimeter verhindert werden (Kap. 4.2.6 in Nagra 2025c). Ein Freihaltestreifen ist auch aus Gründen der Sicherung des Anlagenperimeters als vorteilhaft einzustufen. Zur Sicherung einer Kernanlage wird die Einsehbarkeit der Umgebung von der Anlage aus gefordert (Kap. 3.2 in Nagra 2025d). Die Sicherungsmassnahme zielt darauf ab, die nukleare Sicherheit gegen unbefugte Einwirkungen zu gewährleisten. Potenzielle Täter sollen von ihrem Vorhaben abgeschreckt und bei einem Angriff erkannt werden (UVEK 2007,  UVEK 2008).

  • Unterschreitung der Waldabstände: Der Anlagenperimeter muss voraussichtlich bis an die Grenze für Bauten und Anlagen genutzt werden. Zum heutigen Projektstand wird von einem Abstand zwischen den Hochbauten im Anlagenperimeter und der künftigen Wald­grenze (Eingliederungssaum) von ca. 14 m ausgegangen. Der kantonale Waldabstand (18 m gemäss § 48 Abs. 1 Bst. a BauG) wird mindestens stellenweise nicht eingehalten. Zur Einhaltung des Waldabstands wären zusätzliche Eingriffe (Rodungen) in den Wald nötig.

Aufgrund des begründeten Standorts der BEVA angrenzend an die Zwilag (vgl. Kap 2 und 4) muss der bestehende Nietenbuckweg abschnittsweise aufgehoben werden. Nach heutigen Planungsannahmen soll der Weg in den Eingliederungssaum (Wald) verlegt werden (vgl. Kap. 3.2.2). Die genaue Linienführung wird mit dem Baugesuch beantragt. Der bestehende Nietenbuckweg hat keine Erschliessungsfunktion für Nutzungen innerhalb der Bauzone. Im nördlichen Teil verläuft er im Waldareal, was ebenfalls auf einen Hauptzweck als «Waldstrasse» hinweist. Es wird deshalb davon ausgegangen, dass die vorgesehene Verlegung waldrechtlich gesehen keine Rodung darstellt.

Die effektive Ausgestaltung und Pflege des Eingliederungssaums muss sich an der Anordnung der Bauten und Anlagen im Anlagenperimeter orientieren; diese wird im Rahmen des weiteren Bewilligungsverfahrens nach KEG festgelegt.

Aus verfahrenstechnischer Sicht ist es notwendig, dem RBG einen abdeckenden Fall zu Grunde zu legen. Wird der max. 20 m breite gehölzfreie Freihaltestreife vollumfänglich in Anspruch genommen, ergibt sich für die Freihaltung eine zusätzliche Rodungsfläche von max. 0.51 ha, wovon 0.45 ha das NkBW betreffen (vgl. Tab. 3‑1), wobei der Waldboden in diesem Bereich nicht zweckentfremdet wird und vor Ort belassen werden soll.

Für das Baugesuch wird die tatsächlich benötigte Fläche für eine Rodung (Freihaltestreifen) aufgrund der sicherheits- und sicherungstechnischen Vorgaben bestimmt. Das Vorhaben wird so entwickelt, dass die tatsächlich zu rodende Breite des Freihaltestreifens nur so gross wie nötig ist, max. 20 m.

Der Anlagenperimeter wird voraussichtlich stellenweise bis an die Grenzen ausgenutzt, was eine Unterschreitung des Waldabstandes zur Folge haben kann, wenn der Streifen an diesen Stellen zur Gewährleistung von Sicherheit und Sicherung nicht 20 m breit sein muss.

Unter Beizug des zuständigen Kreisförsters wird in diesem Prozess die korrekte waldrechtliche Handhabung der gesamten beanspruchten Waldfläche im Eingliederungssaum definitiv festgelegt (Rodung, Freihaltung resp. sicherungsbedingte Rodung, nachteilige Nutzung von Wald und Waldabstandsunterschreitungen).

Betreffend Rodung wird die Standortbegründung (Kap. 2 und 4) sowie in den nachfolgenden Ab­schnitten das überwiegende Interesse nachgewiesen. Die Nachweise der Erfüllung der gesetz­lichen Voraussetzungen für die Rodung werden mit der Eingabe des Baugesuchs (inkl. Rodungsgesuch) erbracht, wenn die tatsächliche Waldbeanspruchung und ihre Dauer geklärt sowie die Ersatzmassnahmen bestimmt sind. Betreffend nachteilige Nutzung und Unterschreitung der Waldabstände werden nachfolgend die wichtigen Gründe bzw. besonderen Verhältnisse dar­gelegt. Die effektiven Nachweise und weiteren Voraussetzungen zur Unterschreitung werden mit der Eingabe des Baugesuchs erbracht, wenn die Anordnung der Bauten und Anlagen in Waldes­nähe bestimmt ist.

Überwiegendes Interesse an der Realisierung der BEVA am Standort Zwilag

Die Umverpackung der radioaktiven Abfälle von TLB in ELB in der BEVA ist Grund­voraus­setzung dafür, dass die Entsorgungspflichtigen eine sichere Einlagerung der radioaktiven Abfälle im gTL realisieren und ihren gesetzlichen Auftrag erfüllen können (Entsorgungspflicht; Art. 31 KEG).

Da sich keine geeignete Anordnung der Bauten und Anlagen am Standort Zwilag ohne Beanspruchung von Waldflächen finden lässt (vgl. Kap. 2 und 4), überwiegt das öffentliche Interesse an einer gut und sicher funktionierenden BEVA, einer Infrastruktur von nationaler Bedeutung, das Interesse am Erhalt des Waldes. Die gesetzlichen Vorgaben gemäss Art. 5 ff WaG sind einzuhalten.

Voraussetzungen der Raumplanung zur Beanspruchung von Wald

Die Inhalte der Sachplanungen des Bundes (vgl. Kap. 5.1) und die regionalen Planungen (vgl. Kap. 5.25.3 und 5.4) stehen dem Vorhaben der Waldbeanspruchung nicht entgegen. Die Weiter­entwicklung des PSI im kantonalen Entwicklungsschwerpunkt «Unteres Aaretal / PSI» (vgl. Kap. 5.2) wird durch das Vorhaben nicht tangiert. Die Beeinträchtigung des NkBW durch die Freihaltung des Waldes stellt hingegen einen räumlichen Konflikt dar.

Wichtige Gründe / Besondere Verhältnisse für die Wald-Eingriffe

Die vorgesehene Lage des Projektperimeters steht im Konflikt mit dem Schutz des Waldes gemäss WaG. Da er jedoch zu grossen Teilen innerhalb einer bestehenden Bauzone liegt, können andernorts unversiegelte Flächen, insbesondere wertvolles Kulturland (FFF) und Naturflächen (z.B. Schutzgebiete), bestmöglich geschont werden. Der gewählte Standort trägt den Bundes­zielen zur haushälterischen Bodennutzung und der Erhaltung der Lebensgrundlage in Notsituation Rechnung. Mit der vorgesehenen Anordnung der BEVA müssen keine Flächen des PSI be­ansprucht werden, womit kantonale und Bundesinteressen berücksichtigt und die Forderung der Regionalkonferenz JO und des PSI umgesetzt werden konnte (RK Jura Ost 2021). Weiter bleibt der Nietenbuckweg (Zugang lokale Naherholungsgebiete und Waldbewirtschaftung) nach der Verlegung erhalten.

Zusammenfassende Beurteilung

Die Realisierung der BEVA wird Eingriffe in den Wald verursachen. Ein besser geeigneter Standort angrenzend an die Zwilag (Ergebnis SGT) ohne Rodungen ist nicht vorhanden. Die Grundstücke der Zwilag grenzen allseitig an das Waldareal, die Flächen des PSI innerhalb der Bauzone sind nicht verfügbar und die Grundstücke der Zwilag können nicht so weit verdichtet und umstrukturiert werden, dass die BEVA sowie die zum Betrieb benötigten, weiteren Gebäude vollständig innerhalb der Bauzone realisiert werden könnten (vgl. Kap. 4). Mit der gewählten, realisierbaren Standortvariante «Mitte optimiert» konnte ein Standort gefunden werden, der mehrheitlich in einer bestehenden Bauzone liegt und mit dauerhaften Rodungen in nur geringem Umfang (max. 1.41 ha) verbunden ist und somit die geringstmöglichen Auswirkungen auf den Wald aufweist. Dies entspricht einer raumplanerisch und waldrechtlich generell guten Lösung (vgl. Tab. 6‑2).

Es kann aufgezeigt werden, dass die Voraussetzungen für die Eingriffe in den Wald mit dem heutigen Projektstand erfüllt werden. Der Anlagenperimeter ist auf den vorgesehenen Standort angewiesen und wichtige Gründe, die das Interesse an der Walderhaltung überwiegen, können nachgewiesen werden. Es wird deshalb davon ausgegangen, dass Eingriffe in den Wald grund­sätzlich bewilligungsfähig und die Reduktion des Waldareals möglich sind.

Tab. 6‑2:Güte eines Standorts aus waldrechtlicher und raumplanerischer Sicht (allgemein gültig) und erreichte Güte des Standorts für die BEVA (rot markiert)

1. Priorität:

Standort innerhalb einer Bauzone ohne Rodung

2. Priorität:

Standort angrenzend an eine Bauzone ohne Rodung

3. Priorität:

Standort mehrheitlich in oder angrenzend an eine Bauzone mit Rodungen in geringem Umfang

4. Priorität:

Standort in der Landwirtschaftszone ohne Bezug zu bestehenden Bauzonen

5. Priorität:

Standort im Wald ohne Bezug zu bestehenden Bauzonen

 

Handlungsbedarf und Massnahmen für die weiteren Projektphasen

Für die nachgelagerten Planungsschritte wird folgender Handlungsbedarf festgehalten:

Handlungsbedarf

  • Die Rodungs- und Freihaltungsfläche, insbesondere der Eingriff in das kantonale Natur­schutzgebiet im Wald, muss mit der weiteren Projektierung (Baugesuch) soweit baulich und betrieblich möglich minimiert werden.

  • Möglichkeiten zur Optimierung des Waldabstandes müssen mit der weiteren Projektierung (Baugesuch) geprüft werden. Der minimale Waldabstand ist mit dem Baugesuch definitiv festzulegen.

  • Erarbeitung des Rodungsgesuchs als Bestandteil der Baugesuchsunterlagen bzw. Nachweis der Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben gemäss Art. 5 ff WaG.

  • Potenzielle Ersatzaufforstungsflächen müssen unter Einbezug der zuständigen, kantonalen Fachstelle geprüft und ein Aufforstungsprojekt ausgearbeitet werden. Der Realersatz für die Rodungen ist mit dem Baugesuch nachzuweisen.

  • Die Verfügbarkeit der Flächen für die Rodungen und Freihaltestreifen ist sicherzustellen.

  • Die Verfügbarkeit der Flächen für die Ersatzaufforstungen ist im Rahmen des Baugesuchs sicherzustellen.

Gestützt auf die spätere Baubewilligung kann der Kanton Aargau die statischen Waldgrenzen im Waldgrenzenplan nachführen. Nachteilige Nutzungen lösen keine Nachführung des Wald­gren­zen­plans aus, da das Areal rechtlich weiterhin als Wald gilt.