Charakterisierung: Die Beurteilungen zeigen, dass die wichtigsten Gefährdungsbilder für alle Stand­ort­gebiete vergleichbar sind. Die Standorte unterscheiden sich aus bautechnischer Sicht im Wesent­lichen durch die Tiefenlage und die Erschliessung der Lagerebene. Im Bautechnischen Dossier wurde beispielhaft dargelegt, wie die Lagerprojekte entsprechend den Anforderungen realisiert und dass die Restrisiken mit geeigneten Massnahmen auf ein akzeptiertes Mass reduziert werden können (Kap. 5.3 in Band 9 in Nagra 2023). Die aktuell in Betracht gezogenen bautechnischen Massnahmen sind im Untertagebau bekannt und erprobt. In allen drei Standortgebieten liegen somit bau­technisch beherrschbare Verhältnisse vor (Kap. 6 in Band 9 in Nagra 2023).

Lagerprojekte und wichtige Aspekte der Baugrundbeurteilung

Zugangsbauwerke zur Lagerebene (Kr 4.2): Die Zugangsbauwerke der beispielhaften Lager­projekte sind in der Regel Schächte (Kap. 6 und 8 in Band 6 in Nagra 2023). Als Ausnahme gilt JO, wo nebst einem Lüftungsschacht noch ein (Betriebs)-Zugangstunnel betrachtet wird. Dieser wird grösstenteils im Opalinuston erstellt (Kap. 6.2 und 8.1 in Band 6 in Nagra 2023). Die Schächte durchörtern in allen Standortgebieten verkarstungsfähige Gesteinseinheiten. Die in Etappe 3 durchgeführten erdwissenschaftlichen Untersuchungen haben jedoch keine Hinweise auf wasserführende Karsthohlräume ergeben. Im Standortgebiet JO wurden in den vom Schacht durch­örterten Gesteinseinheiten keine Hinweise auf eine Verkarstung des Gebirges beobachtet (Kap. 7 in Band 2 in Nagra 2023). Bei den in den Standortgebieten NL und ZNO beobachteten, mit hydraulisch dichten Sedimenten verfüllten Karsthohlräumen handelt es sich ausschliesslich um Phänomene einer Paläo-Verkarstung (Kap. 7 in Band 3 und 4 in Nagra 2023). Das Auftreten von wasserführenden Karsthohlräumen wird in diesen Stand­ort­gebieten deshalb nicht erwartet, kann aber nicht vollständig ausgeschlossen werden (Kap. 3.3.2 in Band 6 in Nagra 2023). Es bestehen bewährte Möglichkeiten zur Hohlraumdetektion. Ausserdem stehen bautechnische Möglich­keiten zur Beherrschung allfälliger Karstwasserzutritte während der Bau- und der Betriebsphase zur Verfügung (Kap. 6 in Nagra 2022). Aufgrund der unterschiedlichen geologischen und hydrogeologischen Verhält­nisse in den das Wirtgestein überlagernden Gesteinseinheiten werden für NL/ZNO resp. JO unter­schied­liche Sicherungsmittel und Bauhilfsmassnahmen für den Schachtbau in Betracht gezogen (Nagra 2023). Damit lassen sich in allen Standortgebieten sichere Zugänge erstellen (Kap. 6 in Nagra 2022).

Bauwerke auf Lagerebene (Kr 4.1): Sämtliche Bauwerke auf Lagerebene liegen vollumfänglich in geringdurchlässigem Opalinuston. Je nach Standort variieren die Tiefenlagen der Lagerfelder zwischen rund 400 – 900 m unter Terrain. In grossen Tiefenlagen (höhere Spannungen) nehmen sowohl die Festigkeit als auch die Steifigkeit grundsätzlich zu (Kap. 5.5 in Nagra 2024h). Umgekehrt können höhere Spannungen auch zu grösseren Gebirgsschädigungen und Konvergenzen im Tunnel­hohlraum führen (Kap. 3.3.2 in Band 6 in Nagra 2023). Entsprechend können diese Effekte in den Standortgebieten auf­grund unterschiedlicher Überlagerung (mit entsprechenden Spannungen) zu unterschiedlichem Gebirgs­verhalten führen. Aufgrund der im Vergleich zum Überlagerungsdruck geringen Festig­keit ist im Opalinuston in allen Standortgebieten mit druckhaftem Gebirge1 zu rechnen. Die geplanten Vortriebsmethoden für die Bauwerke auf Lagerebene sind an allen Standorten gleich. Auf­grund der unterschiedlichen Tiefenlagen ergeben sich je nach Standort unterschiedliche Schalen­stärken der Verkleidung bei sonst gleichen Normalprofilen (Kap. 5.3.1 in Band 6 in Nagra 2023). Die Bedeutung der Tiefenlage für die Ausprägung der Auflockerungszone wird im Kriterium 2.3 beurteilt (vgl. Kap. 4.2.3).

An allen Standorten kann ein geologisches Tiefenlager mit bekannten und im Untertagebau erprob­ten Massnahmen auf die erwarteten Baugrundverhältnisse ausgelegt werden. Die Dokumen­tation der beispielhaften Lagerprojekte liefert den Nachweis dazu (Band 6 in Nagra 2023).

Bautechnische Risikoanalyse

Auch die bautechnischen Risiken, die sich durch (von den Erwartungen) abweichende Gebirgs­verhältnisse ergeben, können in allen Standortgebieten mit bekannten und im Untertagebau erprob­ten Massnahmen auf ein akzeptiertes Mass reduziert werden (Kap. 6 in Band 9 in Nagra 2023).

Die Verteilung der initialen Risikowerte für das HAA-Einzellager ist für die Standorte NL und ZNO identisch und weicht nur geringfügig von der Verteilung für den Standort JO ab (Kap. 5.2.1 in Band 9 in Nagra 2023). Dieser Unter­schied ist u. a. auf eine erhöhte Eintretenswahrscheinlichkeit der Gefährdungen «Verklemmen des Schildes» und «unzulässige Verformungen und Versagen des Ausbaus» (in beiden Fällen wegen druckhaftem Gebirge) bei NL und ZNO zurückzuführen. Diese sind durch die grössere Tiefenlage der Lagerebene an diesen Standorten begründet. In allen Standorten lassen sich jedoch geeignete Massnahmen zur Abminderung der Risiken umsetzen (Kap. 5.3 in Band 9 in Nagra 2023), sodass die resultie­rende Verteilung der Restrisiken für das HAA-Einzellager für alle Standorte identisch ist. Die Rest­risikowerte für ein HAA-Einzellager befinden sich an allen Standorten im akzeptierten Bereich (Kap. 5.2.1 in Band 9 in Nagra 2023).

Eine analoge Bewertung erfolgt für die SMA-Einzellager an den Standorten JO und ZNO sowie für das Kombilager am Standort NL. Auch für SMA ist die resultierende Verteilung der Rest­risiken für alle Standorte identisch. Die Restrisikowerte für SMA-Einzellager in JO und ZNO sowie für das Kombilager in NL befinden sich im akzeptierten Bereich (Kap. 5.2.2 in Band 9 in Nagra 2023).

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass sich die initialen Risikowerte zwar zwischen den Standorten unterscheiden, die Restrisikowerte jedoch lagertyp- und standortübergreifend nach der Massnahmenplanung vollständig im akzeptierten Bereich liegen. Dies gilt sowohl für das Kriterium 4.1 als auch für das Kriterium 4.2. Die vorgesehenen Massnahmen zur Reduktion der Risiken auf akzeptierte Werte sind im Untertagebau bekannt und erprobt (Kap. 6 in Band 9 in Nagra 2023).

Fazit: Der Nachweis der bautechnischen Machbarkeit für HAA und SMA gilt deshalb aus Sicht der Nagra an allen Standorten sowohl für die erwarteten als auch für abweichende Verhältnisse als erbracht und robust (Tab. 4-12). Die bautechnische Eignung wird deshalb für alle Stand­ort­gebiete und Lagertypen in beiden Kriterien 4.1 und 4.2 mit günstig bewertet, und alle EG auf­grund der identischen Restrisikoprofile gleichwertig auf Rang 1 eingestuft. Unterschiede in der Aus­prägung der Massnahmen werden nicht bewertet (keine Bewertung von Kosten).

Druckhafte Gebirge haben die Tendenz, Hohlräume durch Konvergenz zu schliessen. ↩