Begründung des Indikators (Relevanz für Langzeitsicherheit)
Die Wärmeproduktion im Tiefenlager kann die mechanische Integrität des EG und das Transportverhalten der Radionuklide in den technischen und natürlichen Barrieren beeinflussen. Dabei spielen thermische Porenwasser-Überdrücke eine wichtige Rolle. Die Begrenzung solcher thermisch bedingter Prozesse gewährleistet den langfristigen Erhalt der Barriereeigenschaften im Wirtgestein.
Definition der Beurteilungsmethodik
Objekt der Beurteilung beim Indikator «Thermisch bedingte Porenwasser-Überdrücke im WG» ist das Wirtgestein, da sich die höchsten Temperaturen in den Lagerkammern und im angrenzenden Gestein einstellen und nach aussen hin kontinuierlich abnehmen.
Die Beurteilung des Indikators «Thermisch bedingte Porenwasser-Überdrücke im WG» stützt sich auf probabilistische Modellrechnungen zum Systemverhalten unter dem Einfluss der im HAA-Lager produzierten Wärme (Kap. 5.1.2 in Nagra 2024i). Die Modellrechnungen erfassen alle Prozesse, welche die Temperatur in der Bentonitverfüllung und im Wirtgestein beeinflussen und welche zu thermisch bedingten Porenwasser-Überdrücken im Wirtgestein führen könnten.
Die thermisch bedingten Porenwasser-Überdrücke werden an einem repräsentativen Punkt im Wirtgestein erfasst, in vorliegendem Fall 20 m oberhalb eines HAA-Lagerstollens in der Mitte des Lagerfelds. Für die Beurteilung wird die Kennzahl FPI («Failure potential of intact host rock») verwendet, welche die berechneten thermisch bedingten Porenwasserdrücke ins Verhältnis zum definierten Grenzdruck setzt. Der Grenzdruck hängt ab von den standortspezifischen Gebirgsverhältnissen (insb. Gebirgsspannungen in Lagertiefe) und den felsmechanischen Eigenschaften des Wirtgesteins (insb. Festigkeiten, Steifigkeit). Bei Überschreiten des Grenzdrucks kann eine Bildung von thermisch bedingten Rissen im intakten Gestein nicht mehr ausgeschlossen werden (Kap. 5.1.2 in Nagra 2024i). In Kriterium 2.3 wird die Kennzahl FPI für den Referenzfall betrachtet.
Definition Bewertungsskala
Die Bewertungsstufe sehr günstig wird erreicht, wenn FPI ≤ 0.7. In diesem Bereich beträgt der erwartete thermisch bedingte Porenwasser-Überdruck höchstens 70 % des Grenzdrucks, ab welchem eine Bildung von thermisch bedingten Rissen im Opalinuston nicht mehr ausgeschlossen werden kann (grosse Sicherheitsmarge). Eine Situation wird als günstig eingestuft, wenn FPI ≤ 1, d. h. wenn der Grenzdruck nicht überschritten wird (kleine Sicherheitsmarge). Ab FPI > 1 wird die Situation als bedingt günstig eingestuft, weil die Bildung von thermisch bedingten Spannungsrissen im Wirtgestein nicht mehr ausgeschlossen werden kann und Anpassungen an der Lagerauslegung zu erwägen wären.
Die Bewertungsskala ist für HAA und SMA identisch. Die Bewertungsstufe ungünstig wird für die Beurteilung der drei Standortgebiete in Etappe 3 nicht benötigt.