Begründung des Indikators (Relevanz für Langzeitsicherheit)
Lösungsprozesse können unter spezifischen Bedingungen zur Bildung neuer, u.U. hoch transmissiver Wasserwegsamkeiten (Karströhren) und damit zu präferenziellen Freisetzungspfaden für Radionuklide führen. Die Indikatoren «Potenzial für Bildung von Wasserwegsamkeiten durch Lösungsprozesse oberhalb / innerhalb / unterhalb WG (im EG)» dienen damit der Beurteilung der Beständigkeit der Rückhaltewirkung des EG.
Definition der Beurteilungsmethodik
Die Beurteilung des Verkarstungspotenzials erfolgt für den ganzen Schichtstapel des EG, wird aber getrennt für die oberen Rahmengsteine, das Wirtgestein und die unteren Rahmengesteine im EG geführt. Als Verkarstungspotenzial wird die Neigung eines Gebirgsbereichs bezeichnet, unter gegebenen geologischen, geomorphologischen, hydrologischen und klimatischen Bedingungen einen Karstaquifer auszubilden (Kap. 2 in Filipponi et al. 2022).
Die Beurteilung der Verkarstungsfähigkeit einer Gesteinseinheit erfolgt auf der Grundlage des Gehalts an lösungsfähigen Mineralien sowie auf der Analyse von weiteren hydrogeologischen und hydrochemischen in-situ-Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit sich in einer verkarstungsfähigen Gesteinseinheit durch Lösungsprozesse Fliesswege entwickeln können (Kap. 3, 5.5 und 11.2 in de Waele & Gutiérrez 2022).
Für die Identifikation verkarstungsfähiger Gesteine werden Karbonatgehalt, Anhydrit-/Gipsgehalt sowie Halitgehalt betrachtet. Weiter wird geprüft, ob in der Gesteinseinheit oder in den unmittelbar angrenzenden Gesteinseinheiten bezüglich der lösungsfähigen Mineralien ungesättigte Fluide vorhanden oder im Betrachtungszeitraum zu erwarten sind. Und es wird geprüft, ob in der Gesteinseinheit oder in den unmittelbar angrenzenden Gesteinseinheiten eine relevante Grundwasserzirkulation besteht oder im Betrachtungszeitraum zu erwarten ist.
Bei der Beurteilung des Verkarstungspotenzials wird konservativ angenommen, dass innerhalb der Betrachtungszeiträume von 1 Mio. Jahre für HAA und 100'000 Jahre für SMA genügend Zeit für Lösungsprozesse vorhanden ist, d. h., die Zeit wird nicht als limitierender Faktor betrachtet.
Definition Bewertungsskala
Als sehr günstig wird eine Situation eingestuft, in der keine Verkarstung möglich ist. Als günstig wird eine Situation eingestuft, in der eine Verkarstung unter speziellen Bedingungen nicht vollständig auszuschliessen ist.
Die Bewertungsskala ist für HAA und SMA identisch und entspricht derjenigen aus Etappe 2. Die Bewertungsstufen bedingt günstig und ungünstig werden für die Beurteilung der drei Standortgebiete in Etappe 3 nicht benötigt.