Die Nutzwertanalyse zeigt, dass alle Standortgebiete für das HAA- und SMA-Lager sicherheitstechnisch geeignet sind. Bei der Beurteilung der sicherheitsrelevanten Aspekte haben sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Standortgebiete herauskristallisiert:

  • Alle Standortgebiete verfügen über sehr günstige räumliche Verhältnisse, wobei in ZNO an den Wirtgesteinsgrenzen in der potenziellen Lagerzone am meisten Störungen seismisch kartiert sind. Am mächtigsten ist der EG in NL (Kriterium 1.1).

  • Alle EG weisen eine sehr günstige hydraulische Barrierewirkung auf. NL weist zudem eine sehr günstige hydrogeologische Situation für eine langfristige Isolation der radioaktiven Abfälle auf (Kriterium 1.2).

  • In allen EG sind die geochemischen Bedingungen im Opalinuston günstig bis sehr günstig hinsicht­lich des Radionuklid-Rückhaltevermögens (Kriterium 1.3).

  • Der Opalinuston beeinflusst das Transportverhalten der Radionuklide in allen EG in sehr günstiger Weise (Kriterium 1.4).

  • Alle Standortgebiete weisen tektonisch langfristig stabile Lagerzonen auf. Die Situation hinsicht­lich seismisch kartierter Störungen in den Gesteinen ober- und unterhalb der EG ist in NL sehr günstig, in ZNO bedingt günstig (Kriterium 2.1).

  • Alle Standortgebiete bieten langfristig Schutz vor Erosion. Die erwarteten Verhältnisse sind günstig für das HAA-Lagerprojekt in JO sowie sehr günstig für die HAA-Lagerprojekte in NL und ZNO sowie für SMA-Lagerprojekte in allen Standortgebieten (Kriterium 2.2).

  • In allen Standortgebieten herrschen günstige bis sehr günstige Verhältnisse zur Beherrschung der lagerbedingten Einflüsse. Die Sicherheitsmargen gegenüber erwarteten gasbedingten Über­drücken sind bei gleicher Lagerauslegung in JO am kleinsten (Kriterium 2.3).

  • In allen Standortgebiet herrschen hinsichtlich Nutzungskonflikte mit einem gTL günstige bis sehr günstige Verhältnisse, da in den potenziellen Lagerzonen aus heutiger Sicht keine wirt­schaft­lich nutzungswürdigen Ressourcen in besonderem Masse vorkommen (Kriterium 2.4).

  • Die sehr günstige Barrierewirkung ist in allen Standortgebieten auch unter Berücksichtigung der Charakterisierbarkeit der Transporteigenschaften im EG gegeben (Kriterium 3.1).

  • Die sehr günstige Barrierewirkung ist in allen drei Standortgebieten auch unter Berück­sichtigung der Explorierbarkeit der räumlichen Verhältnisse gegeben. In NL besteht die Chance auf zusätzliche barrierewirksame untere Rahmengesteine (Kriterium 3.2).

  • Die Barrierewirkung ist in NL und ZNO auch unter Berücksichtigung der Prognostizier­barkeit der Langzeitveränderungen günstig bis sehr günstig, wobei in NL die Sicherheits­margen am grössten sind. In JO sind die Verhältnisse teilweise bedingt günstig (Krite­rium 3.3).

  • In allen drei Standortgebieten liegen bautechnisch beherrschbare Verhältnisse vor. Die vorge­sehen bautechnischen Massnahmen sind im Untertagebau bekannt und erprobt (Kriterien 4.1 und 4.2).

Zusammenfassend lassen sich folgende vier Eigenschaften hervorheben, welche die Vorteile von NL begründen. Sie sind ausschlaggebend für die Standortwahl für HAA und SMA.

Die Mächtigkeit des EG ist in NL am grössten

Alle Standortgebiete verfügen über sehr günstige räumliche Verhältnisse mit mächtigen einschluss­wirksamen Gesteinspaketen, in NL ist die vertikale Ausdehnung des EG mit über 300 m aber am mächtigsten (Kr 1.1). Dies ist sowohl für das HAA- wie auch für das SMA-Lager bezüglich der Rückhaltewirkung der geologischen Barriere von Vorteil. Insbesondere die Distanz von der Lagerebene zum nächstliegenden Aquifer oberhalb des Opalinustons ist in NL am grössten. Die Distanz von der Lagerebene zum EG-begrenzenden Keuper-Aquifer unterhalb des Opalinus­tons ist in allen Standortgebieten ähnlich.

Der Keuper-Aquifer in NL ist an lokal auftretende, mit Sandstein gefüllte Rinnen gebunden. Sein räumliches Auftreten ist dadurch heterogen und die Wasserzirkulation beschränkt. Wo in NL keine sandigen Rinnenablagerungen vorhanden sind, fällt die Mächtigkeit des EG noch deutlich grösser aus, nämlich rund 400 m bis zum Muschelkalk-Aquifer. In dieser Situation fällt auch der Transportpfad für Radionuklide zur unteren Begrenzung des EG erheblich länger aus und die Rückhaltewirkung wird dadurch erheblich verstärkt. Dies ist insbesondere für das HAA-Lager in NL relevant (Kr 3.2).

Die hydrogeologischen Bedingungen des EG sind in NL am günstigsten

Alle EG weisen eine sehr günstige hydraulische Barrierewirkung auf, durch die grösste Distanz von der Lagerebene zum nächstliegenden Aquifer oberhalb des Opalinustons sind die hydro­geologischen Bedingungen in NL aber am günstigsten. Zusätzlich ist auch die regionale hydro­geologische Situation sehr günstig für die langfristige Isolation der Abfälle (Kr 1.2). Das Poren­wasser des Opalinustons weist in NL einen besonders hohen Anteil an alten Komponenten auf und das Grundwasser im Malm-Aquifer ist durch besonders hohe Verweilzeiten gekennzeichnet, was auf stagnierende hydrogeologische Verhältnisse schliessen lässt. Auch die im Keuper-Aquifer in NL beobachteten Grundwasser-Verweilzeiten sind gross, falls bzw. wo Grundwasser über­haupt vorkommt.

Die geologische Situation im EG ist in NL am einfachsten

Alle EG sind langfristig geologisch stabil, aber in NL sind die Gesteine am ruhigsten gelagert. Das ist für beide Lagertypen sehr günstig sowohl hinsichtlich der heutigen Qualität der geo­logischen Barriere (Kr 1.1) wie auch hinsichtlich der langfristigen Beständigkeit der Gesteins­eigen­schaften im EG (Kr 2.1).

Der Schutz vor Erosion ist in NL am besten

Alle EG bieten langfristig Schutz vor Erosion (Kr 2.2) und geologische Verhältnisse, in denen die Lang­zeitstabilität des Barrierensystems gegenüber langfristigen, lagerbedingten Prozessen und Wechsel­wirkungen gewährleistet werden kann (Kr 2.3). Betrachtungen zur Prognostizierbarkeit der Langzeitveränderungen des geologischen Tiefenlagersystems verdeutlichen, dass auch bei ungünstigen Annahmen die Langzeitstabilität der geologischen Barriere in NL sehr günstig und im Quervergleich am grössten ist (Kr 3.3).

Die in Etappe 3 verwendeten Bewertungsmethoden (Nutzwertanalyse, Ranking- und Outranking-Methode) führen zu eindeutigen Schlussfolgerungen:

  • Die aggregierten Bewertungen der Nutzwerte zeigen für alle Standortgebiete insgesamt (d. h. über alle Indikatoren und Kriterien gemittelt) eine günstige bis sehr günstige Gesamt­bewertung. Dies bedeutet, dass alle Standortgebiete sicherheitstechnisch geeignet sind. Die Nutz­werte differenzieren nur wenig zwischen den drei Standortgebieten für HAA und SMA; insgesamt weisen NL und ZNO gegenüber JO leichte Vorteile auf.

  • Die Ergebnisse der Ranking-Methode und der Outranking-Methode zeigen deutlichere Unter­schiede zwischen den drei Standortgebieten:

    • NL ist sowohl für das HAA-Lager als auch für das SMA-Lager der beste Standort. Er schneidet bzgl. Qualität, Langzeitstabilität und Flexibilität im Vergleich mit ZNO und JO klar am besten ab.

    • Auf eine Verteilung der weiteren Podestplätze wird verzichtet, d. h., ein zweiter und dritter Platz wird nicht explizit ausgewiesen. Insgesamt kann festgehalten werden, dass:

      • JO bzgl. der Prognostizierbarkeit von Langzeitveränderungen gewichtige Nachteile hat (Erosion, lagerbedingte Einflüsse)

      • ZNO bzgl. der Anzahl und Verteilung kartierter Störungen einen gewichtigen Nach­teil hat, was sich unvorteilhaft auf die Flexibilität bei der Platzierung der Lagerfelder auswirkt