In diesem Bericht wird die in ENSI (2018) geforderte generische Sicherheitsbetrachtung bzgl. der Einwirkungen von innen (EVI) für ein geologisches Tiefenlager1 (gTL) dokumentiert2. Die Sicherheitsbetrachtung zeigt im Zuge des Rahmenbewillligungsgesuchs auf, dass allfällige EVI mit etablierten Massnahmen beherrschbar sind und die sicherheitstechnische Machbarkeit gegeben ist.
Für die Lesbarkeit wird im Bericht vereinfacht von «geologischen Tiefenlager» geschrieben. Diese Terminologie umfasst sowohl die Definition nach Art. 64 KEV – «Ein geologisches Tiefenlager besteht aus dem Hauptlager zur Aufnahme der radioaktiven Abfälle, aus einem Pilotlager und aus Testbereichen» – als auch die weiteren Bauten auf Lagerebene, die Zugangsbauwerke sowie der Oberflächenanlage. ↩
Eine standortspezifische Charakterisierung der Einwirkungen von aussen (EVA) erfolgt mit der Charakterisierung und Bewertung der Standorteignung in Nagra (2025a). ↩
Die Sicherheitsbetrachtung basiert auf der systematischen Charakterisierung und Bewertung der im Störfallspektrum identifizierten EVI (siehe Kap. 1.3) unter Einbezug des in Nagra (2024) für das gTL zugrunde liegenden exemplarischen Anlagen- und Betriebskonzepts. Der Fokus liegt auf der Identifizierung betrieblich nicht vorgesehener innerer Einwirkungen und der daraus resultierenden Belastungen (mechanisch und/oder thermisch) der in Endlagerbehältern3 verpackten radioaktiven Abfälle, die unter Umständen zu einer Reduzierung oder zum Verlust der Abschirmwirkung oder zu einer Freisetzung von Radionukliden (innerhalb / ausserhalb der Anlage) führen. Ziel ist es, eine unzulässige störfallbedingte Direktstrahlung oder Freisetzung radioaktiver Stoffe für das strahlenexponierte Personal in der Anlage bzw. für die Bevölkerung in der Umgebung durch eine sicherheitsgerichtete Auslegung und Betrieb der Anlage zu vermeiden bzw. zu begrenzen. Es wird plausibel aufgezeigt, dass die Schutzziele (siehe Nagra (2025a)) eingehalten werden können. Die dabei aufgezeigten Massnahmen dienen somit der Reduzierung der Häufigkeit und/oder des Ausmasses bzw. der Konsequenzen des betrachteten Ereignisses. Die finale Ausgestaltung und Funktionalität der Massnahmen erfolgt nach Kernenergiegesetz im Rahmen des weiteren Bewilligungsverfahrens.
Einordnung Betriebsphase
Die Betriebsphase beginnt mit der Betriebsbewilligung und endet mit dem ordnungsgemässen Verschluss des Tiefenlagers (ENSI 2020). Da die Hauptaktivitäten in der Einlagerungsphase stattfinden, fokussiert sich die in diesem Bericht dokumentierte Sicherheitsbetrachtung auf diese Phase. In der sich anschliessenden Beobachtungs- und Verschlussphase befinden sich alle radioaktiven Abfälle in den Lagerkammern, die durch die während der Einlagerungsphase erstellten Verfüll- und Verschlussbauwerke der Lagerkammern passiv vor Einwirkungen geschützt sind. Für die Lesbarkeit wird vereinfacht vom «Betrieb» des geologischen Tiefenlagers geschrieben.
Die Endlagerbehälter (ELB) sind zum Teil zum Schutz und zur Abschirmung zusätzlich in robusten Transportbehältern (TB) verpackt, dies betrifft insbesondere die HAA-ELB. ↩
Im Folgenden werden relevante Randbedingungen und Massnahmen aufgelistet, die der Sicherheitsbetrachtung zugrunde liegen:
Die Sicherheitsbetrachtung erfolgt für ein gTL mit voneinander ausreichend räumlich getrennten SMA- und HAA-Lagerteilen. Das zugrunde liegende Anlagen- und Betriebskonzept des gTL ist in Nagra (2024) dokumentiert.
Die Verpackung der Abfallgebinde in ELB erfolgt am Standort Zwilag (Nagra 2025b).
Am Standort des gTL werden nur ELB, z. T. verpackt in TB (bei den HAA), gehandhabt. Am Standort sind plangemäss keine Arbeiten an offenen radioaktiven Quellen vorgesehen.
Die an die Oberflächenanlage angelieferten ELB werden beim Absender bezüglich der Anforderungen an die Annahmebedingungen (z. B. Nachweis der Kontaminationsfreiheit) kontrolliert und freigegeben.
Die an die Oberflächenanlage angelieferten Transportgebinde erfüllen die Transportvorschriften (ADR 1957, SDR 2002).
Sicherheits- und strahlenschutztechnische Grundsätze werden bei der Auslegung und bei den Betriebsprozessen wie folgt berücksichtigt:
Die verschlossenen ELB (z. T. verpackt in Transportbehältern (TB)) sind robust gegen externe und interne Einwirkungen ausgelegt und nicht brennbar.
Die Ortsdosisleistung der ELB – u. a. in Verbindung mit ihren TB – ist begrenzt (entsprechend den Transportbedingungen).
Der Bau und die Montage aller relevanten über- und untertägigen Anlagen ist zum Zeitpunkt des jeweiligen Einlagerungsbetriebs (SMA/HAA) vollständig abgeschlossen, die Strukturen, Systeme und Komponenten (SSK) sind entsprechend ihrer Auslegung qualitätsgeprüft, installiert, in Betrieb gesetzt und im Rahmen einer Kaltinbetriebnahme auf Betriebseignung und ‑sicherheit getestet.
Ein Zonenkonzept (Einrichtung von Zonen und Gebieten) wurde entsprechend den strahlenschutztechnischen Anforderungen umgesetzt. Gemäss aktueller Planung (Nagra 2025a) bedeutet dies die Einrichtung von Überwachungsbereichen (d. h. Zone 0). Das gTL ist im Normalbetrieb und bei Betriebsstörungen kontaminationsfrei.
Die erforderlichen Prüf-, Wartungs- und Instandhaltungsroutinen sind implementiert.
Bei Bedarf besteht die Möglichkeit, den Betrieb (vorbeugend oder im Ereignisfall) jederzeit kontrolliert zu unterbrechen, um eine Beeinträchtigung oder eine Gefährdung des Personals bzw. von Systemen auszuschliessen. Ein paralleles Auftreten von ereignisbedingten Fehlhandlungen bzw. -funktionen lässt sich somit vermeiden.
Zugänge für Intervention und Rettung sind vorhanden.
Die Grundsätze zur Organisation und zum Personal gemäss Nagra (2025a) sind entsprechend umgesetzt. Dies betrifft insbesondere, dass das Personal in ausreichender Anzahl vorhanden, entsprechend qualifiziert, geschult4 und ausgerüstet sowie eingewiesen und vertraut mit der Anlage, den Ausrüstungen, dem Betrieb und der Instandhaltung ist.
Der plangemäss während des SMA-Einlagerungsbetriebs zeitgleich stattfindende Bau des HAA-Lagerteils sowie die während des Einlagerungsbetriebs beim HAA-Lagerteil zeitgleich stattfindende Lagererweiterung ist nach aktuellem Projektstand sowohl über- als auch untertag räumlich getrennt von den Überwachungsbereichen, in denen die ELB gehandhabt werden (vgl. auch Nagra 2024). Sicherheitsrelevante Auswirkungen von potenziell möglichen konventionellen Unfällen im Baubereich auf den Einlagerungsbereich bzw. den Einlagerungsbetrieb werden somit im Rahmen dieser Analyse als ausgeschlossen bewertet5 bzw. sind durch das inhärent sichere Anlagenverhalten und die Möglichkeit eines kontrollierten Unterbruchs des Einlagerungsbetriebs sicher beherrschbar.
Im Betrieb erfolgen periodisch oder nach Bedarf weitere Unterweisungen, Schulungen und Notfallübungen zur Aufrechterhaltung bzw. Aktualisierung des Sicherheitsbewusstseins. ↩
Der Bau erfolgt komplett getrennt (ausreichend räumliche Entfernung und/oder physische Trennung) über das separat erschlossene Areal für Bau und Betrieb und dem explizit dafür auf diesem Areal vorgesehenen Bau- und Betriebsschacht sowie den Baubereichen auf Lagerebene. Auf dem Areal für die Einlagerung werden keine Bautätigkeiten während des Einlagerungsbetriebs stattfinden. Weitere Information zur Aufteilung der Aktivitäten sowie ihren Beschrieb finden sich in Nagra (2024) sowie Nagra (2020). ↩
Die Bestimmung des Spektrums der zu unterstellenden Einwirkungen von innen ergibt sich unter Berücksichtigung anlagentechnischer Gegebenheiten. Für die Erstellung des Spektrums werden grundsätzlich die gesetzlichen und behördlichen Vorgaben und Verordnungen (insbesondere KEG (2003), KEV (2004) und UVEK (2009)) berücksichtigt6. Vertiefend werden diese mit allfälligen Vorgaben und Hinweisen von internationalen Fachdokumentationen zum Thema gTL (u. a. IAEA, EGOS7) abgeglichen. Als EVI gelten folgende Ereignisse:
Reaktivitätsstörung
Verlust der Wärmesenke
Anlageninterner Brand
Anlageninterne Explosion
Anlageninterne Überflutung
Fehlhandlung des Personals (inkl. beeinträchtigtes Personal)
Fehlerhafte Handhabung von radioaktivem Material
Abweichungen bzw. Nichterfüllung der Annahmebedingungen
Versagen oder Fehlfunktion von Betriebssystemen und
Komponentenversagen
Dabei wird mindestens auf die in Art. 4 UVEK) (Gefährdungsannahmen für Störfälle mit Ursprung innerhalb der Anlage) genannten Störfalltypen sowie weitere anlagenspezifische Störfälle eingegangen, soweit sie für das gTL zutreffen. ↩
Für die Erstellung der zu berücksichtigenden Ereignisse bzw. Störfälle wurden neben den gesetzlichen und behördlichen Vorgaben auch Unterlagen internationaler Organisationen sowie relevante Projektberichte von vergleichbaren Anlagen (z. B. Endlagerprojekte, Bergbau, Tunnelbau) verwendet. Beispielsweise Expert Group on Operational Safety (EGOS), eine Arbeitsgruppe der NEA: "Hazard Database" für Betriebssicherheitsanalysen eines gTL. ↩