Die Charakterisierung des Standorts in Bezug auf das Potenzial einer externen Überflutung anhand der standortspezifischen Bedingungen ist sowohl quantitativ als auch qualitativ in Nagra (2024h) beschrieben. Dabei werden folgende Gefährdungen behandelt, deren Kernergebnisse nachfolgend zusammengefasst sind:
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Überflutung der Anlage infolge Ausuferung der Aare, ausgelöst durch grossräumige Starkniederschläge oder durch ein Versagen relevanter wasserbaulicher Einrichtungen in der Aare ober- oder unterhalb des Anlagestandorts
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Überflutung der Anlage durch Oberflächenabfluss aus dem umgebenden Einzugsgebiet, ausgelöst durch lokale Starkniederschläge
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Gravitative Gefahren, induziert durch Starkniederschläge oder als Folge extremer Abflüsse in anliegenden Flussgerinnen (dokumentiert in Kap. 4.2.7)
Gefährdung durch Aare-Hochwasser
In der breit angelegten EXAR-Studie (Extremhochwasser Aare-Rhein) wurden die Grundlagen für die Beurteilung der standortspezifischen Hochwassergefährdung der Aare hergeleitet (Andres et al. 2021). Im Rahmen der EXAR-Studie wurden für 10'000-jährliche Niederschlagsereignisse die Auswirkungen möglicher Abflussszenarien im Einzugsgebiet der Aare untersucht und anhand von Gefährdungskurven beurteilt. Die Abflussszenarien werden dabei unterschieden zwischen ausschliesslich durch Niederschlagsereignisse ausgelöste Extremhochwasser (Initialereignisse) und solchen in Kombination mit Bauwerkversagens-, Schwemmholzprozessen und morphologischen Prozessen.
Die Ergebnisse der Studie weisen nach, dass sämtliche Initialereignisse (hydrologische Hochwasserereignisse) im Gerinne der Aare abgeleitet werden können und nicht zu einer Überflutung im Bereich des Anlagenperimeters führen (vgl. Fig. 4‑8). Dies gilt auch bei kombiniertem Versagen von wasserbaulichen Einrichtungen in der Aare21. Der Standort der BEVA ist somit vor Hochwasser geschützt. Dies gilt zudem für Szenarien, bei denen eine Verklausung der PSI-Brücke durch Schwemmholzfrachten betrachtet wird, deren Häufigkeiten deutlich kleiner als 10‑4pro Jahr betragen. Auch bei diesen Szenarien findet kein Zufluss in den Anlagenperimeter und damit keine Überflutung statt. Folgeanalysen des Zwilag und des PSI haben ferner gezeigt, dass auch bei solchen Abflussszenarien im Uferbereich mit der gegenwärtigen Befestigung keine kritische laterale Erosion zu erwarten ist (Kuhlmann et al. 2022).
Bei einem extremen (Fluss-)Hochwasser besteht wahrscheinlich nur ein zeitlicher Abstand von wenigen Stunden zwischen oberflächiger (Fluss-)Hochwasserspitze und Grundhochwasserwasserspitze. Aus diesem Grund kann konservativ angenommen werden, dass (Fluss-)Hochwasser und ein Anstieg des Grundwassers im Bereich der BEVA gleichzeitig auftreten. Die bisher beobachteten langjährigen Hochwasserstände des Grundwassers liegen bei 325.5 m ü. M. Für ein 10'000-jährliches Grundwasser-Hochwasserereignis wurde für den Standort eine Höhe von 328.7 m ü. M. ermittelt (abgeleitet vom 10'000-jährlichen Hochwasserspiegel gemäss Andres et al. (2021)).
Fig. 4‑8:Maximale Fliesstiefen während der gesamten Simulationsdauer für ein Hochwasserszenarium mit einer Überschreitungshäufigkeit von ca. 10-4/Jahr
Das Wasser wird ausschliesslich im Gerinne der Aare abgeleitet und führt nicht zu einer Überflutung im Bereich des Anlagenperimeters (Andres et al. 2021).
Starkniederschläge (Oberflächenabfluss)
Starkniederschlagereignisse führen zu keiner Gefährdung der BEVA. Ein möglicher Oberflächenabfluss aus der Umgebung fliesst topographisch bedingt nicht in bedeutenden Mengen zum Standort. Das Wasser versickert im Wald oder wird aufgrund der erhöht liegenden Bahnlinie und der Döttingerstrasse auf der östlichen Ebene von Würenlingen zurückgehalten. D. h., die erhöht liegende Bahnlinie und Strasse weisen für die aus Osten kommenden, flächigen Abflüsse eine Barrierewirkung auf, erwirken somit in den Flächen östlich von Strasse und Bahn eine Retention. Der Oberflächenabfluss aus der Ebene Würenlingen erreicht somit den Standort der BEVA nicht. Der begrenzte Abfluss durch den Dorfbach gelangt entweder entlang des Bachlaufs ausreichend nördlich des Standorts in die Aare, versickert im Wald bzw. wird durch Retentionsmulden im Wald zurückgehalten, die bei Überlaufen, bedingt durch die Topologie, in Richtung Norden entwässern. Dies gilt auch bei Verklausung der Bachdurchlässe im Unterlauf. Für eine detaillierte Betrachtung und Diskussion wird auf Nagra (2024h) verwiesen.
Durch die spezielle Lage der Wasserscheide im Unterwald und die Rückhaltewirkung von Strasse und Bahn mit den ausgedehnten Retentionsflächen für Abflüsse aus dem obliegenden Gebiet reduziert sich das effektiv beitragende Einzugsgebiet für Zuflüsse zum Anlagenperimeter auf die bewaldeten Flächen westlich von Würenlingen bzw. südlich der Wasserscheide. Da sich im bewaldeten Teil selbst bei hohen Intensitäten kaum wasserführende Gerinne bilden und sich keine grossen Retentionsräume in Richtung Anlagenperimeter entleeren, ist der unter konservativen Annahmen abgeschätzte Zufluss zum Anlagenperimeter sowohl bei kurzen intensiven Niederschlägen als auch bei Tagesniederschlägen sehr gering (kleiner 700 l/s, Ereignis mit einer Häufigkeit von 10‑4 pro Jahr) und gefährdet die nukleare Sicherheit der Anlage nicht.
Gesamtbeurteilung
Die Ergebnisse zu den Untersuchungen einer externen Überflutung zeigen, zusammen mit den zahlreichen bereits bestehenden Studien, dass für den Standort keine für die Auslegung kerntechnischer Anlagen ungewöhnlichen Randbedingungen vorliegen:
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Der Standort ist vor Hochwasser geschützt, auch bei extremen Wasserständen der Aare. Dies gilt auch in Kombination mit dem Versagen von wasserbaulichen Einrichtungen.
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Ein starkniederschlagbedingter Oberflächenabfluss aus der Umgebung fliesst, topographisch bedingt, nicht in bedeutenden Mengen zum Anlagenperimeter.
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Durch Starkniederschläge induzierte gravitative Ereignisse wie grössere Hangrutschungen können infolge der lokalen geologischen Bedingungen ausgeschlossen werden (dokumentiert in Kap. 4.2.7).
Der Standort ist für den Bau und Betrieb einer BEVA geeignet.
Das Versagen wasserbaulicher Einrichtungen wurde ebenfalls im Rahmen der EXAR-Studie modelliert. Für den Beurteilungsperimeter PSI oder Beznau haben solche Ereignisse aber keine Auswirkungen. Beispielsweise würde die Flutwelle infolge eines Sperrenbruchs des Sihlsees spätestens bei den Sihl-Durchlässen am Hauptbahnhof Zürich zu einer grossflächigen Überschwemmung führen, wodurch stromabwärts beim Anlagenperimeter nur ein stark gedämpfter Anstieg des Abflusses der Aare zu erwarten wäre (Andres et al. 2021). ↩